Maja hält den großen Kochlöffel mit spitzen Fingern am äußersten Ende fest und rührt vorsichtig im Topf. Heißer Dampf steigt auf. Maja wechselt ab und zu die Hand, mit der sie den Löffel hält, und rührt weiter. Sie versucht, größtmögliche Distanz zum heißen Dampf zu bekommen. Das ist schwer, denn sie hält den hölzernen Rührlöffel senkrecht. Auf die Idee, ihn flacher zu halten, kommt sie nicht. Im Topf blubbern Spaghetti. Majas Augen wandern fragend zu Anja, ihrer Erzieherin, die das Geschehen aus kurzer Entfernung aufmerksam verfolgt.
Mächtige Lernimpulse
Eine Vierjährige kocht auf einer echten Kochplatte Nudeln – eine Situation, die mir als Mutter unerträglich wäre. Auch für Anja und ihre Kolleginnen war sie gewöhnungsbedürftig. »Wir mussten uns immer wieder mit unseren Ängsten und Befürchtungen auseinandersetzen – und natürlich mit denen der Eltern«, berichtet die KiTaBü-Leiterin Marion Tielemann. Ausgangpunkte waren Einsicht und Erfahrung, dass Kinder diejenigen Tätigkeiten am attraktivsten finden, die auch die Erwachsenen tun. Beobachten und Nachahmen sind mächtige Lernimpulse, Imitation ist eine der erfolgreichsten Lernstrategien.
In der KitaBü können die Kinder seit gut zwei Jahrzehnten den Erwachsenen täglich beim Kochen zuschauen und mittun, wenn möglich. Das Vorbild ist also gegeben, der starke Reiz, ebenfalls kochen zu wollen. Das KitaBü-Team hatte bereits erlebt, wie kompetent Drei- und Vierjährige mit echten Messern umgehen können, wenn ihnen Gelegenheit gegeben wird, Obst und Gemüse zu schnippeln. Das ist regelmäßig zwei Mal in der Woche der Fall, wenn »Obst-« oder »Rohstoffplatte« auf dem Speiseplan steht. Solche Erfahrungen ließen das Team Vertrauen fassen. 2002 wagte es den Versuch, eine Kinderküche einzurichten.
»Was möchtest du jetzt tun?« fragt Anja die Vierjährige. Da keine Antwort kommt, hakt sie nach: »Sind deine Nudeln fertig?« Maja nickt. »Dann kannst du die Kochplatte ausschalten«, fährt Anja fort. Es dauert eine Weile, bis Maja den Schalter so oft weitergedreht hat, dass das rote Lämpchen erlischt. Anschließend hebt die Vierjährige mit äußerster Vorsicht die Kasserolle von der Kochplatte und stellt sie auf das Regal nebenan. Eva, ebenfalls vier Jahre alt, hat schon einen Topf und ein Sieb zum Abgießen bereitgestellt. Mit Selina und Isabell, zwei Dreijährigen, sind die Mädchen heute in der Küche aktiv. Doch in der »heiße Phase« werden die drei jüngeren von Maja in die Zuschauerrolle verwiesen. Maja fasst mit beiden Händen den Stiel der Kasserolle und gießt die Nudeln vorsichtig – wie in Zeitlupe – in das Sieb.
Eigene Erfahrungen
»Wir haben lange nach geeigneten Rezepten für die Kinder gesucht und damit experimentiert«, berichtet Marion Tielemann vom Lernprozess des Teams, »bis wir endlich begriffen hatten: Auf Rezepte kommt es überhaupt nicht an.« Für die Kinder, so die Einsicht des KiTaBü-Teams, ist es wichtig, den Prozess von Anfang bis Ende selbstständig durchzuführen. Dabei helfen die von den Erzieherinnen angefertigten Bildkarten, auf denen die einzelnen Schritte abgebildet sind. Die Kinder können sie »lesen«; alle Zutaten, Töpfe und Geräte liegen in der Kinderküche bereit. Es gibt eine Anleitung für Nudeln, Milchreis, Möhren, Kartoffeln und, je nach Saison, auch für Apfelmus.
Die Zahl der Möglichkeiten ist ganz bewusst begrenzt – gekocht wird ein Grundnahrungsmittel. Das macht die Situation für die Erzieherinnen überschaubarer. Von den Kindern, die mit der Möglichkeit zu kochen einen großes Feld selbstständigen Handelns »in echt« gewonnen haben, wird das fraglos akzeptiert.
Es gelten Sicherheitsregeln: Die Kochplatte darf nicht höher als auf »2« geschaltet werden. So wird der Prozess verlangsamt, und die Kinder erfahren von Anfang an: Kochen braucht Zeit. Sobald Dampf aufsteigt, ist das für die Erzieherin, die für den Raum und damit auch für die Kinderküche Verantwortung trägt, das Signal, dicht an das Geschehen heranzutreten und jederzeit zum Eingreifen bereit zu sein. Eine weitere Regel: Höchstens vier Kinder auf einmal dürfen in der Kinderküche arbeiten – so viele Plätze sind am Tisch. Außerdem wird ausschließlich mit Wasser gekocht, niemals mit Fett.
»Unsere Erfahrung ist, dass die Kinder ihre Kompetenzgrenzen intuitiv sehr genau kennen«, berichtet Marion Tielemann. »Sie wagen neue Schritte erst, wenn sie die größeren Kinder schon längere Zeit beobachtet haben.«
Dreijährige sind meist lange Zeit damit zufrieden, Nudeln oder den Reis in einem Topf mit kaltem Wasser auf der kalten Kochplatte ausgiebig zu rühren. Nudeln schmecken Kindern in jeder Form, hart, trocken oder auch kalt gequollen – mindestens dann, wenn sie sie selbst zubereitet haben. Dreijährige lieben es, Wasser abzumessen und Nudeln zu zerbrechen. Sie lauschen auf das Knacken, rühren auch schon mal mit beiden Händen im Topf – oft zu zweit oder zu dritt. Ihr Kochen ist weniger zielgerichtet: Sie beißen auf den harten Nudeln herum, spielen damit Zähneputzen und genießen das Gefühl, wenn sie ihre Finger in den Topf mit kaltem Wasser und Nudeln tauchen. Für die Dreijährigen steht beim Kochen, wie bei allen anderen Aktivitäten, die Sinneserfahrung im Vordergrund.
Dieses »kalte« Kochen, das noch weitgehend ein symbolisches Spiel ist, wiederholen die jüngeren Kinder meist wochenlang – bis schließlich eines, oft ein etwas älteres Kind, auf die Idee kommt: »Die Kochplatte kann man anstellen!« Ist der Entschluss gefasst, dies auch wirklich zu tun, verschwinden schlagartig alle Hände aus dem Kochtopf. Das passende Gerät, der Kochlöffel, wird benutzt.
Die weniger Erfahrenen gehen in der Regel freiwillig auf respektvolle Distanz, denn dass »heiß« wehtun kann, wissen sie längst. Aus sicherer Entfernung beobachten sie das Geschehen – nicht ohne weiter mit den trockenen Nudeln zu spielen. Die Meldung »Es dampft!« ist dann eine Art Triumphschrei. Das siedende Wasser wird als Hinweis gedeutet, dass die Nudeln fertig sind.
Die Erzieherinnen hüten sich in solchen Momenten, die Kinder zu korrigieren. Den Kindern die Zeit zu lassen, eigene Erfahrungen zu machen und selbst Schlussfolgerungen zu ziehen, das ist ein wesentlicher Grundsatz der KitaBü-Arbeit.
Mit Behagen verspeisen die Kinder die halbgaren Nudeln, was noch keinem geschadet hat. Der Gedanke, dass das Kochen vielleicht doch mehr Zeit braucht, kommt den Kindern in der Regel erst nach mehreren Versuchen.
www.diekinderkueche.de
Eine interessante Geschäftsidee präsentiert Susanne Klug, eine Ökotrophologin mit Schwerpunkt Kinderernährung: die Kinderküche. Diese Küche, das kleine Restaurant sowie Koch- und Backutensilien sind kindgerecht und freundlich gestaltet und bieten Kindern die Möglichkeit, gesund und lecker zu kochen.
www.blinde-kuh.de/kueche/
Die Blinde-Kuh präsentiert auf ihren Kinder-Küche-Seiten eine umfangreiche Sammlung von Rezepten, die Kindern besonders gut schmecken. Kein Wunder, denn Kinder haben sie eingeschickt.
www.naturkost.de
Das große Portal zum Thema »Naturkost« bietet auch umfangreiche Informationen zum Thema »Gesunde Ernährung« für Kinder an. Einfach »Kinder« in die rechte Suchmaske eingeben.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/08 lesen.