Die fünf elementaren Handlungen der Pädagogen – endlich erforscht
Pädagogien? Ein solches Land gab es bisher nicht. Aber es wurde Zeit, es zu erfinden, denn alles, was ein Land braucht, gibt es schon längst: Den eigenwilligen Menschentyp der Pädagogen. Eine bestimmte Sprache, die diese verwenden: »Mal pädagogisch ausgedrückt...« Eine bestimmte Art zu denken, sagen Außenstehende. Auch das Gebiet, in dem das Land errichtet werden könnte, ist schon längst da: die pädagogische Landschaft.
Neugierig geworden? – Michael Fink berichtet exklusiv für Sie, liebe Betrifft KINDER-Leserinnen und Leser, direkt aus Pädagogien. In Heft 3 erforschte er die Sprachen und Dialekte der Pädagogier und ihre Feste, Feiertage und Gebräuche. In diesem Heft beobachtet er die fünf elementaren Handlungen der Pädagogen.
Wir starren mit Ferngläsern über die Straße hinweg, direkt auf ein ältliches graues Gebäude mit spärlich verzierten Fenstern: »Ein Kindergarten«, erklärt Professor Dr. Schlembacher, der joviale Wissenschaftler, »von der Sorte, die wir Verhaltensforscher für unser aktuelles Projekt brauchen: mit konservativem Ansatz, klassischem Konzept und langjährigen Mitarbeiterinnen, die nicht jede pädagogische Mode mitmachen.«
»Sie meinen: So richtig schön verschnar....«, will ich fragen, doch der Professor unterbricht mich: »Psst! Hinschauen! Jetzt tut sich was…«
Gebannt stieren wir durch unsere Gläser, direkt in den Raum der Maikäfergruppe, und erhalten Einblick in den Berufsalltag ganz normaler, vielleicht sogar ein wenig unambitionierter Pädagoginnen.
Wo sind wir, welchen Zweck hat diese seltsame Unternehmung, und wer sind die Damen und Herren, die außer uns durch Ferngläser und Webcam-Monitore auf eine eher durchschnittliche, in jedem Fall aber wenig vorzeigbare deutsche Kindertagesstätte starren? »Auf den Spuren erwachsener Verhaltensmuster« heißt das wissenschaftliche Projekt, das uns Prof. Schlembacher vom Institut für vergleichende Verhaltensbiologie in Kiel gerade vorstellt. Die Grundidee ist simpel, aber genial: Nachdem kleinkindpädagogische Fachpublikationen in den letzten Jahren zahlreiche Beiträge über die fünf elementaren Experimenten der Kleinkinder veröffentlichten, versucht Schlembacher mit seinem Forschungsteam nun, die gleichen Verhaltensschemata auch bei Erwachsenen zu entdecken: die Rotation, das Transportieren, das Verbinden, das Verstecken und die Untersuchung der Fall-Linie.
»Das wäre ein Schlüssel zum Verständnis des Erwachsenenalters, von dem wir noch viel zu wenig wissen«, erläutert Schlembachers Assistentin Laura Kraft das Aufsehen erregende Vorhaben, das im Rahmen des OECD-Projektes »Between 18 and 80 – Exploring GrownUps Behaviour« finanziert wird. »Schließlich war es ein großer Erkenntnisschritt, hinter den scheinbar zweckfreien Handlungen der Kleinkinder ganz konkrete Entwicklungsbedürfnisse zu erkennen. Und Erwachsene...«
Hier fällt der stimmgewaltiger Mentor dem Fräulein Kraft ins Wort: »... Erwachsene vollziehen eine Unzahl von zweckfrei wirkenden Handlungen. Wenn man sie erschließen könnte, um dahinter steckende Entwicklungsbedürfnisse aufzuspüren, könnte man vielleicht ganz neue Einsichten in eine bisher wenig erforschte Altersgruppe werfen. Möchten Sie nicht auch manchmal wissen, was hinter der Fassade ihrer Mitmenschen so abgeht?«
»Na ja«, antworte ich, »im Grunde...« Bevor ich den Satz zu Ende denken – geschweige denn sprechen – kann, konzentriert der Professor sich schon wieder auf sein gewaltiges Binokular. Gibt’s denn was zu sehen?
Rotation
»Schauen Sie!« Schlembacher schreit fast vor Aufregung. »Da! Tatsächlich Rotation!« Ich sehe nichts. Nur eine leicht hektisch wirkende Mittagsschlaf-Vorbreitung.
»Erwachsene sind fasziniert von Rotation«, doziert der Fachmann. »Am liebsten machen sie sich zum Teil davon, werden eins mit der Rotation. ›Herumrotieren‹ nennt man diesen Zustand. Bei unserer Versuchsgruppe kann man das gut beobachten: Vesper vorbereiten, gleichzeitig Zähne putzen, Po abwischen, Bildungsangebot bereitstellen.«
»Das sieht anstrengend aus«, lässt Prof. Owotaki eine freundlicherweise als Dolmetscherin agierende Kollegin übersetzen. »Walum, äh, warum machen die Damen nicht eins nach dem anderen?«
»Erwachsene wollen sich auf diese Weise das gute Gefühl verschaffen, von anderen gebraucht zu werden«, erklärt Fräulein Kraft.
»Sie so viel machen, weil viel machen blauchen?« fragt der japanische Experte für Verhaltensbiologie. Frau Sundermeyer-Knef korrigiert: »Sie machen viel, weil sie es brauchen, gebraucht zu werden.«
»Präzise!« Schlembacher nickt. »Dafür tun sie alles.«
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05/10 lesen.