Was Sie schon immer über Offene Arbeit wissen wollten
In Heft 8-9/10 startete eine Serie mit Fragen und Antworten zur Offenen Arbeit – eingesammelt in Kindertageseinrichtungen, bei diversen Veranstaltungen und beantwortet von Gerlinde Lill. Diesmal geht es um die Rechte von Kindern als innere Orientierung der Offenen Arbeit.
In der letzten Folge standen zwei Fragen im Mittelpunkt: Wie sieht Offene Arbeit aus? An welchen Merkmalen ist sie erkennbar? Diese Fragen waren nicht leicht zu beantworten, weil Offene Arbeit in vielen Variationen in Erscheinung tritt, je nach den konkreten Voraussetzungen in den Einrichtungen und den Entwicklungswegen der Teams. Doch es gibt ein Qualifizierungsmerkmal, dass sich durchzieht: die gemeinsame Planung und Verantwortung, erkennbar zum Beispiel an Raumnutzung und Personaleinsatz – eine Folge der Orientierung an den Rechten der Kinder.
Kindern mehr Rechte zuzugestehen fällt Erwachsenen schwer, besonders Pädagogen. Denn es bedeutet, von der eigenen Macht abzugeben, nicht mehr alles unter Kontrolle zu halten, nicht alles vorzugeben und zu bestimmen. Auf die Kraft und Kompetenz von Kindern zu vertrauen ist das Schwierigste auf dem Weg in offene Arbeitsweisen. Doch dieser Prozess einer allmählichen Wandlung im pädagogischen Aufgabenverständnis, in der Veränderung der Beziehung zu Kindern ist das Entscheidende an der Offenen Arbeit.
Die Betonung liegt auch hier auf Prozess. Beide, Kinder und Erwachsene, stecken in diesem Prozess und wachsen miteinander – in der Wechselwirkung von Loslassen und Ausprobieren. Beide sammeln neue Erfahrungen, werden mutiger und sicherer.
Die Welt mit Babys Augen sehen
Dass Pädagogen ihre Haltung verändern, ehe sie Offene Arbeit beginnen, ist schier unmöglich. Haltungen erwachsen wie Einstellungen, Wertvorstellungen und Leitgedanken aus Erfahrungen und verändern sich im Zuge neuer Erfahrungen. Ob und wie sie sich in Erkenntnissen und veränderten Einstellungen niederschlagen, das kann niemand vorhersehen, denn es ist individuell verschieden. Manchmal gibt es Überraschungen.
Um offen zu arbeiten, ist zunächst nicht mehr notwendig, als Interesse an ungewohnten Blickwinkeln. Das allerdings ist unerlässlich.
»Wer die Welt mit Babys Augen sieht, weiß, wie man sie besser machen kann«, lautete ein Werbeslogan von Pampers. Wie wahr. Schade, dass kein Pädagoge auf diesen Satz kam, denn darum geht es: Die Welt mit den Augen von Kindern zu sehen, ihre Gefühle nachvollziehen und den Sinn ihres Tuns verstehen zu wollen, ihnen zuzuhören, zuzuschauen – und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Nicht für die nächste Fördermaßnahme, sondern für das, was ein einzelnes Kind will. Nichts anderes ist professionelles pädagogisches Arbeiten.
Ein weiterer Anspruch an die Profession: Darüber nachzudenken, was angesichts heutiger Erkenntnisse über kindliche Entwicklung sinnvoll ist oder entsorgt werden kann. Dabei zeigt sich, welche konkreten Ansprüche an die eigene Arbeit zu stellen und wie sie zu erfüllen sind.