Wodurch zeichnet sich ein offenes und am Kind orientiertes Dialoghandeln aus? Über welche nonverbalen und verbalen Mittel und Kompetenzen verfügen pädagogische Fachkräfte zur Gestaltung von Dialogen? Und woraus speist sich ein entwicklungsangemessenes Interaktionshandeln? Diesen und weiteren Fragen ging das DJI – Autorinnenteam um Petra Best, Mechthild Laier, Karin Jampert, Andrea Sens und Kerstin Leuckefeld in ihrer neuesten Veröffentlichung: »Dialoge mit Kindern führen«, herausgegeben von der Baden-Württemberg-Stiftung, nach (siehe Seite 16).
Die Beispiele verstehen sich als praktische Anregungen, um im pädagogischen Alltag das eigene Interaktionshandeln unter die Lupe zu nehmen, die eigenen Stärken zu entdecken und Lust darauf zu bekommen, etwaige Varianten auszuprobieren. Eine Leseprobe, vorab für Betrifft KINDER.
Eigenaktiv und ganzheitlich finden sich Kinder in die Sprache hinein. Und obwohl ihnen das, was sie zu hören bekommen, zunächst ein klingendes Sprachwirrwarr sein muss, gelingt es ihnen schon bald, eigene Worte zu artikulieren und sie zu komplexen Botschaften zu kombinieren. Alle Voraussetzungen und alle Fähigkeiten, um sprechen zu lernen und sich die Sprache anzueignen, bringen Kinder mit.
Doch auch wenn Kinder sich die Sprache beiläufig erwerben, so erobern sie sich die Sprache nicht ohne das Zutun ihrer erwachsenen Bezugspersonen: Menschen, die sich ihnen in liebevoller Aufmerksamkeit zuwenden, die daran interessiert sind, was sie empfinden, was ihre Neugier weckt, und die sich darum bemühen, ihre nonverbalen und verbalen Äußerungen zu verstehen. Spracherwerb, das ist gemeinschaftlich geleistete Arbeit (List 2009), bei der Kind und Bezugspersonen von Anfang an engagiert und begeistert bei der Sache sind. Und bei der die Sprache der Erwachsenen eine stete Begleiterin der kindlichen Sprachentwicklung ist.
Von der intuitiven Elterndidaktik im Familienleben…
Aus der Eltern-Kind-Forschung haben wir verlässliche Erkenntnisse dazu, welches Dialoghandeln sich als besonders unterstützend erweist. So bringen Eltern im Allgemeinen die intuitive Gabe und Bereitschaft mit, sich ganz auf die Sprache ihres Kindes einzustellen, ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, seine Botschaften zu deuten und es ganz nebenbei in der Entwicklung seiner sprachlichen Fähigkeiten anzuregen (Grimm 2003, Szagun 2006).
Mit erhöhter Stimmlage, deutlicher Betonung, mit melodischem Sprechen und kurzen Äußerungen erleichtern Eltern es ihrem Neugeborenen, sich in die Sprache hineinzuhören. Von Anfang an betrachten die Mutter und der Vater jede seiner Äußerung, und sei es nur ein kleiner Gurrlaut, als einen wertvollen Gesprächsbeitrag mit einer wichtigen Botschaft. Den Gehalt dieser Äußerungen versuchen sie zu interpretieren und in eigene Worte zu übersetzen. »Ja, dir geht es heute gut«, melden sie zum Beispiel dem Baby zurück, wenn es auf dem Wickeltisch munter vor sich hin brabbelt. Im vergnügten Tonfall ahmen sie ihr Kind stimmlich nach. Das hört seine Äußerung in klanglichem Echo. Dadurch fühlt es sich wahrgenommen und erlebt zugleich, dass es die sprachliche Reaktion seiner Eltern hervorgerufen hat. Es lohnt sich, zu kommunizieren! Diese Entdeckung macht das Kind bereits im Säuglingsalter.
Mit den wachsenden Sprachfähigkeiten des Kindes wandelt sich die elterliche Sprache an das Kind. Sie wird allmählich immer komplexer und bietet ein zunehmend breiteres Repertoire an neuen Wörtern, an grammatischen Strukturen und an kommunikativen Umgangsformen. Stets sind die Erwachsenen bereit, dem Kind quasi Sprachrohr zu sein und alles, was es vielleicht sagen oder erzählen möchte, wofür ihm aber die sprachlichen Gestaltungsmittel noch fehlen, mit eigenen Formulierungen auszuschmücken und ihm dadurch seine Äußerungen in erweiterter Form zu spiegeln. Die kleine Sprachpersönlichkeit ist den Eltern – natürlich auch der Oma und anderen Familienmitgliedern – schließlich von Grund auf vertraut. Sie kennen die Ausdrucksvarianten des Kindes, die Art und Weise, wie es sich artikuliert, und sie kennen seine Erfahrungs- und Erlebniswelt. Mit all diesem Wissen können sie seiner sprachlichen Botschaft zumeist den inhaltlichen Kern entnehmen. So erlebt sich das Kind als verstanden und als sprachlich erfolgreich. Keine Mühe hat es damit, sich aus den an ihn gerichteten Äußerungen seiner Bezugspersonen das herauszupicken, was es für die jeweilige Phase seines Spracherwerbs benötigt.
… zu einem bewussten Dialoghandeln im Krippenalltag
Auch Erzieherinnen und Erzieher kennen die Fähigkeiten, Gewohnheiten und Bedürfnisse »ihrer« Kinder und sie verfügen über ein selbstverständliches Alltagswissen dazu, wie sie den Kindern sprachlich begegnen. Dieses intuitive Wissen ist wie bei den Eltern eine gute Basis, um in einen beziehungsvollen und zugleich sprachanregenden Dialog mit Kindern zu treten. Das konnten wir auch im Interaktionshandeln der Fachkräfte in unserem Projekt beobachten.
Professionalität im sprachpädagogischen Handeln setzt jedoch mehr als die bloße Intuition voraus. Denn was im Familienalltag erfolgreich gelingt, findet im Krippenalltag unter anderen Bedingungen statt, und einer der wichtigsten Unterschiede ist: Die Aufmerksamkeit der Erwachsenen muss sich auf viele Sprachpersönlichkeiten verteilen, von denen eine jede über individuelle Ausdrucksvarianten, sprachliche Fähigkeiten und Bedürfnisse verfügt. Gerade zwischen zwei und drei Jahren gehen Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung Riesenschritte, wobei die Fortschritte von Kind zu Kind ganz unterschiedlich aussehen können.
Mit seinen immer wiederkehrenden und vertrauten Abläufen, mit seinen verschiedenen Menschen und seiner Umgebung bietet der Krippenalltag dem Sprache erwerbenden Kind eine Fülle an sprachlichen Anreizen, Entdeckungs- und Handlungsmöglichkeiten. Diese Fülle bereitet den Boden für zahlreiche Gelegenheiten, um Dialoge mit Kindern zu führen. Sie sind so vielfältig, so vielfältig das Erleben eines Kindes an einem Tag in der Krippe ist.
Die Sprache der Kinder im dritten Lebensjahr beobachten, entdecken und anregen
Dieses Materialset sensibilisiert pädagogische Fachkräfte für die Besonderheiten von Kindersprache und Spracherwerb, insbesondere mit dem Blick auf zwei- und dreijährige Kinder.
Auf dieser Grundlage motiviert es für ein offenes und reflektiertes Dialoghandeln – quer durch den Alltag.
Kapitel 1 nimmt Sie mit auf eine Reise in die Welt der Kindersprache. Nach einem Überblick zum frühkindlichen Spracherwerb lesen Sie,
- über welche vielfältigen nonverbalen und verbalen Ausdrucksweisen Kinder zwischen zwei und drei Jahren verfügen,
- welche Strategien sie uns zeigen, um sich sprachliche Mittel anzueignen, und
- wie die Sprache ihr Handeln verändert: wie sie wichtig wird für ihr Denken und für die Kommunikation mit anderen – mit ihren erwachsenen Bezugspersonen und vor allem mit anderen Kindern.
Im Dialog mit jungen Kindern sind Feinfühligkeit, Wechselseitigkeit, Stimmklang und Körpersprache wesentlich. In Kapitel 2 begeben wir uns auf Spurensuche; vor allem dazu,
- was einen natürlichen, dem Kind zugewandten und zugleich sprachstimulierenden Dialog auszeichnet,
- über welche sprachlichen Handlungsweisen und Kompetenzen pädagogische Fachkräfte verfügen und
- wie diese in der Interaktion mit dem Kind angemessen zum Tragen kommen können, um ihr sprachliches Anregungspotenzial für Kinder zwischen zwei und drei Jahren zu entfalten.
Um die großen und kleinen Sprachmomente des Alltags geht es im dritten Kapitel. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Potenziale sich in den verschiedenen Situationen und Aktivitäten für bedeutsame und sprachanregende Dialoge verbergen.
Das handliche Beiheft enthält Orientierungshilfen zu Beobachtung und Dokumentation von Kindersprache sowie Analyse- und Reflexionshilfen für die Gestaltung von Dialogen mit Kindern. Sie regen an, die eigene Praxis zu reflektieren und dort die konkreten sprachlichen Unterstützungsgelegenheiten für Kinder zu entdecken und auszuprobieren.
Petra Best · Mechthild Laier · Karin Jampert
Andrea Sens · Kerstin Leuckefeld
Herausgegeben von der Baden-Württemberg Stiftung
Dialoge mit Kindern führen
168 Seiten mit vielen Fotos und Illustrationen, Beiheft 24 Seiten
ISBN 978-3-86892-051-2
Preis: 19,90 €
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/11 lesen.