Auf meine Frage, wie man auf die Idee kommt, Fachberater zu werden und ob es dafür eine Ausbildung gibt, ernte ich herzliches Lachen: »Nein, da bin ich hineingewachsen. Dafür gibt es ja gar keinen festen Ausbildungsweg und noch nicht mal ein fest vereinbartes Berufsbild. Die wichtigste Voraussetzung ist wahrscheinlich jede Menge Praxiserfahrung.« Diese hat Klaus Dieter Oldenburg von der Pike auf erworben – ungeplant. Der 20jährige wollte der kleinstädtischen Enge entkommen, als er Mitte der 1970er Jahre seiner Heimat an der Nordseeküste den Rücken kehrte, um in Berlin Stadt- und Regionalplanung zu studieren.
Um die Haushaltskasse aufzubessern, nahm er einen Putzjob in einem Son-derprojekt für Kinder aus sozial benachteiligten Familien an. »Es faszinierte mich zu erleben, wie viel Widerstandskraft in diesen Kindern steckte und welch schier unbändiger Wille, ihren Platz in der Welt zu finden.« Diesen Willen zeigten die Kinder meist aggressiv, körperlich, auch verbal. »Es standen ihnen ja wenig andere Mittel zur Verfügung. Das reizte mich gerade. Viele von ihnen hatten noch nicht mal eine Kuh gesehen oder das Meer und in ihren Familien herrschten teilweise wirklich schwierige Verhältnisse.«
Vom Putzjob zum Erzieher
Auch den KollegInnen fiel auf, dass ihr Putzmann mit den Kindern sehr gut klar kam und schon bald bot man ihm eine Halbtagsstelle als Erzieher an. Er nahm den Job gerne an. Damals konnte man in Kinderläden noch ohne Ausbildung als Erzieher arbeiten. Ihm gefiel, dass er sein Tun selbst verwaltete. »Es gab nur das Team und keine Hierarchie, keinen Leiter oder so was.« Er empfand es zwar auch als anstrengend, sich selbst permanent in die Verantwortung nehmen zu müssen, »aber gerade das war letztlich eine sehr gute Schulung in Kommunikation und dem Geradestehen, für das was man macht.«
Die Idee mit der Stadt- und Regionalplanung verwarf er und begann ein Studium der Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpädagogik. Trotz Halbtagsstelle und Geburt seines Sohnes Till absolvierte er es in der Regelstudienzeit. Auch wenn Klaus Dieter Oldenburg vom Typ her eher bescheiden ist: Hier sprüht er förmlich vor Stolz. Dass er aus der Praxis heraus studierte, sieht er als großen Vorteil: »Zwischen Theorie und Praxis klaffen ja manchmal Welten.« Eine gewisse Sensibilität in Elterngesprächen oder die Fähigkeit, inmitten tobender Kinder Ruhe zu bewahren, zeigen sich eben erst in der Praxis, davon ist er überzeugt. Durch intensiveren Austausch der Lehrenden und der Praxisanleiterinnen und häufigere Praktika sollten diese Themen auch heute zeitnah im Studium oder der Ausbildung aufgegriffen und durch Rollenspiele eingeübt werden, wünscht er sich für den Nachwuchs.
Die erste eigene Kita
Anfang der 1990er Jahre übernahm Klaus Dieter Oldenburg die Leitung einer neuen Kita der AWO Berlin-Mitte, in einem Berliner Problemkiez: »Wir nannten die Kita Wassertropfen. Das war das Signal, dass viele Wassertropfen gemeinsam eine Menge bewegen können.« Zusammen mit einem zehnköpfigen Team orientierte sich ihre Arbeit an der damals noch nicht weit verbreiteten Reggio-Pädagogik, die lehrt, dass ein Kind selbst am besten weiß, was es braucht. Man praktizierte eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Gesprächskultur, die sich auch durch eine ausgeprägte Offenheit für Kritik und Vorschläge der Eltern auszeichnete. Außerdem gab es auch einen männlichen Erzieher. »Beides war damals und ist teilweise ja leider auch heute noch nicht selbstverständlich.«
Dass die AWO Berlin-Mitte 2006 ihre neu eingerichtete Fachberaterstelle mit Klaus Dieter Oldenburg besetzen wollte, verwundert nicht. Er nahm diesen Job allerdings unter der Bedingung an, »kein verlängerter Arm der Geschäftsführung zu sein.« Er wollte diese Tätigkeit frei ausüben können: »Alle Inhalte, über die wir in der Kita sprechen, bleiben auch in der Kita. Das finde ich eine ganz selbstverständliche und notwendige Grundlage, um offen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten zu können.« Deshalb bietet er auch keine Supervision an: »Dafür kenne ich alle zu gut. Wenn wir merken, dass Konflikte mehr auf persönlicher als auf fachlicher Ebene gelöst werden müssen, suchen sich die Teams Unterstützung durch neutrale Supervisoren.«
Jutta Gruber
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/15 lesen.