Ein Plädoyer für mehr Mut zur medienpädagogischen Arbeit
Medienpädagogische Arbeit findet in Kitas immer noch zu zaghaft statt. Dieser Ansicht sind die Initiatorinnen des medienpädagogischen Stammtischs Magdeburg – und versuchen Abhilfe zu schaffen. Juliane Epp berichtet.
Als ich vor 15 Jahren anfing, Fortbildungen zum Einfluss der Medien auf Kinder zu geben, waren Kitas und Horte im Prinzip fast medienfreie Zonen – zumindest, was die digitalen Medien betrifft. Es wurde hier und da mal ein Film geschaut, es wurden Hörspiele und Musik gehört, aber Fernsehen, Computer und Internet haben im Kitaalltag fast keine Rolle gespielt. Wie auch – schließlich hatten die Einrichtungen kaum die nötige Technik zur Verfügung.
Das ist heute anders. Viele Horte und Kitas haben inzwischen Computer und Internet. Das heißt aber nicht, dass diese auch mit und von den Kindern genutzt werden. Denn noch immer sind viele ErzieherInnen unsicher, wenn es um eine gemeinsame, sinnvolle Mediennutzung geht. In vielen Einrichtungen gibt es kein Konzept zur medienpädagogischen Arbeit. Jede Fachkraft macht so viel, wie sie kann und will. Selbstverständlich gibt es auch interessierte PädagogInnen, die Fortbildungen besuchen, doch oft sind sie EinzelkämpferInnen. Um die Ideen aus den Fortbildungen im Alltag mit einer Gruppe von 25 Kindern umzusetzen, bräuchten sie die Unterstützung ihrer KollegInnen und entsprechende Rahmenbedingungen in der Einrichtung.
Um den Einstieg in die medienpädagogische Arbeit ein wenig zu erleichtern, habe ich gemeinsam mit zwei weiteren Medienpädagoginnen vor einigen Jahren einen medienpädagogischen Stammtisch in Magdeburg initiiert. Seit 2011 laden wir fünf- bis sechsmal im Jahr Kita- und HorterzieherInnen ein, mit uns zu einem bestimmten Thema ins Gespräch zu kommen und Methoden und Technik praktisch zu testen. Meist arbeiten wir in Gruppen, probieren gemeinsam aus, diskutieren, was uns gefällt, was alltagstauglich ist und was in die pädagogische Arbeit der Kita oder des Horts einfließen könnte. Außerdem können die Fachkräfte dort alle Fragen stellen, für die sie sonst keinen Ansprechpartner haben. Inzwischen ist der Stammtisch zu einer fes-ten Institution geworden.
Wo versteckt sich überall Werbung?
Bei einem unserer Treffen ging es beispielsweise um das Thema Werbung. Es ist wichtig, dass Kinder wissen, wie Werbung funktioniert. Wenn sie eine Zeitschrift aufschlagen, sollen sie Anzeigen von den redaktionellen Inhalten der Zeitschrift unterscheiden können und wissen, dass sie mit Anzeigen zum Kauf von Produkten bewegt werden sollen. Wir haben dazu das kostenlose Medienpaket »Werbung entdecken und begreifen – mit dem Hörwurm Ojoo« von Media Smart vorgestellt. Media Smart ist ein internationales Projekt zur Förderung der Medien- und Werbekompetenz von Kindern. Uns gefielen bei diesem Medienpaket vor allem die Hörgeschichten, mit denen die Kinder entdecken, wo überall im Stadtbild, im Radio oder im Fernsehen Werbung zu finden ist. Nebenbei lernen sie so auch Wörter wie »Logo«, »Moderator« und »Werbespot« zu verstehen.
Bei einem weiteren Stammtisch haben wir das Thema Werbung noch einmal aufgegriffen und uns gemeinsam angeschaut, welche Werbung über die verschiedenen Fernsehkanäle auf die Kinder einprasselt. Das ist etwas, was man als ErzierherIn zu Hause nach Feierabend nicht alleine machen würde. Obwohl es ein wichtiges und spannendes Feld ist. Dabei haben wir festgestellt: Zwischen zwei Sendungen laufen auf Kindersendern wie Super RTL oder Nickelodeon fünf bis siebeneinhalb Minuten Werbung. In dieser Zeit werden 20 bis 24 Spots mit Produktwerbung (Spielzeug, Süßigkeiten, Software etc.) gezeigt. Drei weitere Spots preisen weitere Sendungen des Senders an. Sich darüber bewusst zu werden, ist das eine. Wichtig ist aber auch zu erkennen, wie diese Sequenzen gestaltet sind. Denn je nachdem mit welcher Stimme, welchen Bildern und welcher Musik eine Botschaft übermittelt wird, kann sich deren Wirkung ändern.
Mit Eltern über Medien reden
Gerade wenn es um Werbung geht, sind vor allem auch Eltern gefragt. Es gibt viele Eltern, die sich in Medienfragen hilfesuchend an uns wenden. Für sie muss es mehr Angebote geben – idealerweise an der Schnittstelle zu Kita und Hort. Denkbar wäre ein Elternabend in Hort oder Kita speziell zum Thema Medien oder aber ein Elternbrief mit aktuellen Informationen zur Medienerziehung in der Kita. Das ist mindestens genauso wichtig wie Informationen zu gesunder Ernährung, Verkehrserziehung oder dem Übergang in die Schule.
Aber auch informell sollten ErzieherInnen und Eltern über Medien ins Gespräch kommen. Als PädagogIn habe ich einen klaren Standpunkt, welche Rolle Medien in der Familie spielen sollten. Doch viele KollegInnen sind unsicher: Wie weit darf ich gehen? Wann greift mein Tipp in die Privatsphäre der Familie ein? Welche Argumente habe ich überhaupt und wie sorge ich dafür, gehört zu werden? Dafür ist solides Grundwissen nötig, das wir beim medienpädago-gischen Stammtisch vermitteln.
Aufklärung heißt für uns nicht, als Moralapostel oder mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten. Stattdessen ist eine positive Kommunikation wichtig: »Haben Sie mit Ihren Kindern schon mal die Serie über den neugierigen Indianerjungen Yakari (KIKA) gesehen?« Oder: »Kennen Sie die Bücher und die Trickfilmserie Leo Lausemaus (S-RTL)?« Bei unserem Stammtisch weisen wir auf solche guten Angebote hin. Oder ich hinterfrage den Alltag: »Die Kinder schlafen doch am Wochenende nicht wirklich länger, wenn Sie mit Ihnen spät noch einen Film gucken. Würde nicht ein gemeinsames Spiel Ihnen mehr Ruhe und Gemeinsamkeit bringen?«
Medien sind ganz selbstverständlich Teil des Alltags von Kindern. Es ist unsere Aufgabe als PädagogInnen dies für uns zu nutzen und einen Weg zu finden, verschiedene Medien möglichst gewinnbringend für die Entwicklung der Kinder einzusetzen.
Zungenbrecher und Hörmemorys
Gute digitale Spiele sind für Kinder ein wunderbares Erlebnis. Sie motivieren die Spieler, Herausforderungen zu meistern und geben ihnen Selbstbestätigung. Zum Thema Hörsensibilisierung haben wir verschiedene auditive Medien-angebote zusammengestellt und entwickelt. Das beginnt mit einem Hörmemory und setzt sich fort in Spielen, bei denen Kinder in Gruppen Tiergeräusche imitieren und raten. Oder sie experimentieren mit ihrer Stimme und lernen sie dabei besser kennen.
Natürlich zeigen wir den ErzieherInnen auch, wie Kinder mit Computern oder Tablets ihre eigene Stimme aufnehmen können. So können Reime und Zungenbrecher geübt werden oder es kann mit Emotionen und Stimmlagen experimentiert werden. Unserer Erfahrung nach fangen Kinder, wenn ihnen solche Möglichkeiten eröffnet werden, an selbstständig zu spielen. Auf diese Art können wir Kinder für etwas Lustiges begeistern und nebenbei ihre Sprachbildung trainieren.
Egal, ob es sich um Werbung, Fernsehen oder Hörexperimente dreht, nach jedem medienpädagogischen Stammtisch gehen die ErzieherInnen mit praktischen Anregungen in ihren Alltag zurück. Teilweise verleihen wir auch die nötige Technik dazu. Bisher gibt es unser Angebot nur für Magdeburger Einrichtungen. Doch der Bedarf ist überall groß und so überlegen wir, wie wir auch die KollegInnen im übrigen Bundesland Sachsen-Anhalt unterstützen können und planen einen weiteren Stammtisch im ländlichen Raum.
Juliane Epp arbeitet als Medienpädagogin und Referentin für Jugendmedienschutz in der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz von fjp>media, dem Verband junger Medienmacher Sachsen-Anhalt. Gemeinsam mit einer Kollegin bietet sie neben persönlichen Beratungen auch Schulungen zum Umgang mit verschiedenen Medieninhalten an. Außerdem sind beide Ansprechpartnerinnen bei Fragen zu Datensicherheit, Cybermobbing und sonstigen Themen des Kinder- und Jugendmedienschutzes.