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Drei Jahre ist es her, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, die Arbeiterwohlfahrt AWO und der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) ihre Initiative für ein Bundesqualitätsgesetz für die Kita startete. Das ist eine Erfolgsgeschichte! Nachdem im November 2016 ein Zwischenbericht veröffentlicht wurde, einigten sich im Mai diesen Jahres die Jugend- und Familienminister der Länder mit dem Bund über die Eckpunkte für ein Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz. Was daraus wird, entscheidet sich mit der Bundestagswahl im September. Geben die WählerInnen der neuen Regierung den Auftrag, sich auch für die Kita einzusetzen? Barbara Leitner sprach mit Björn Köhler, dem neu gewählten Leiter des Organisationsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW Hauptvorstand.
Zunächst den Glückwunsch von Betrifft KINDER zu Ihrer Wahl. Bis zum Sommer leiteten Sie das Sozialpädagogische Büro der GEW in Bayern. Welche Erfolge bringen Sie von dort für die bundesweite Arbeit der GEW mit?
In der GEW in Bayern ist – nach dem Landesverband Berlin – die zweitgrößte Zahl SozialpädagogInnen und ErzieherInnen organisiert. Diese stellen mehr als 30 Prozent der GEW-Mitglieder in diesem Bundesland. Mit ihnen und für sie führten wir in den vergangenen Jahren erfolgreiche Tarifverhandlungen. Gerade für jüngere ErzieherInnen holten wir im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bis zu 25 Prozent mehr heraus. Außerdem schlossen wir mit vielen großen Trägern Haustarifverträge. Der TVöD ist nun auch Leitwährung bei den freien Trägern und sorgt dafür, dass ErzieherInnen besser bezahlt werden. Leider sieht das in den östlichen Bundesländern noch ganz anders aus. Hier liegen die Gehälter bei freien Trägern im Schnitt deutlich niedriger als im Westen.
Sie übernehmen zu einer spannenden Zeit die Verantwortung für den Bereich Jugendhilfe und Sozialarbeit bei der GEW. Zum ersten Mal gibt es mit dem Zwischenbericht ein gemeinsames Bekenntnis von Bund, Ländern und 30 Verbänden, sich für die Verbesserung der Bedingungen im Bereich frühkindliche Bildung gemeinsam und abgestimmt einzusetzen und konkrete Handlungsempfehlungen dafür.
Ich sehe das als einen Durchbruch. Eine solch grundsätzliche Einigung der Bundesländer, wie die Kita-Qualität entwickelt werden kann, gab es noch nie zuvor. Zugleich haben sich die Länder geeinigt, die Finanzierungssperre für den Bund aufzuweichen. Der Bund darf in Zukunft in die Qualitätsentwicklung in der Kita investieren. Das ist ein großer Erfolg.
Allerdings habe ich Sorge, dass die Länder nun »Rosinen picken« betreiben könnten. Im Zwischenbericht werden für die Qualitätsentwicklung neun bzw. zehn Handlungsfelder benannt. Dabei geht es um den bedarfsgerechten Ausbau, den Fachkraft-Kind-Schlüssel, die Qualifizierung der Fachkräfte, die Stärkung der Leitungen usw. Es ist wie ein Baukasten mit vielen einzelnen Elementen. Die Länder entscheiden selbst, welche sie für sich auswählen. Das geht nicht. Die GEW setzt sich dafür ein, dass alle Länder in allen Bereichen bessere Bedingungen schaffen und auch verpflichtend berichten, was sie getan haben.
Die Ländervertreter werden an dieser Stelle betonen: Kitas arbeiten in jedem Land unter verschiedenen Bedingungen und haben damit auch unterschiedliche Herausforderungen bei der Qualitätsentwicklung zu bewältigen.
Schauen wir uns den Fachkraft-Kind-Schlüssel an. Der ist in keinem Land so wie er von der Wissenschaft gefordert wird. Kein Bundesland sichert bei der Begleitung von Kindern unter drei Jahren einen stabilen Schlüssel von eins zu drei bzw. eins zu sieben für Kinder über drei Jahren. Wir wissen jedoch aus verschiedenen Studien, dass diese Zahl von Fachkräften für eine gute Beziehungs- und Interaktionsqualität notwendig ist. Deshalb gehört solch eine Festlegung in ein Qualitätsentwicklungsgesetz. Klar haben die Länder unterschiedliche Bedingungen. Dennoch brauchen wir ein Gesetz mit verbindlichen Grundlagen für alle.
In dem Zwischenbericht bekannten sich neben dem Bund und den Ländern 30 Verbände zu Formulierungen wie: »In der Qualität der Kindertagesbetreuung spiegelt sich die Verantwortung der Gesellschaft für unsere Zukunft wider.« Drückt sich darin eine veränderte gesellschaftliche Wertschätzung für die Arbeit in den Kitas aus?
Mit den Dialogen zur Qualität in der Kita wurden viele gesellschaftliche Kräfte erreicht, die diesen Prozess heute mit stützen, begleiten und die Ergebnisse des Zwischenberichtes mittragen. Ich sehe darin auch die Wirkung der zurückliegenden Tarifrunden. Den ErzieherInnen gelang es, für eine deutlichere Anerkennung ihrer Bildungsarbeit in den Kitas zu sorgen. Solch einen Konsens in der Gesellschaft, wie wichtig diese Arbeit ist, gab es vor zehn oder 15 Jahren noch nicht.
Es ist großartig, dass sich Bund und Länder gemeinsam mit 30 Verbänden einigen konnten. Gleichzeitig steht die Frage im Raum: Was passiert jetzt mit den Beschlüssen?
Erst einmal ist im September Bundestagswahl. Die Frage ist: Wer wird mit welchem Programm die Regierung stellen? Wird das notwendige Geld tatsächlich in die Qualitätsentwicklung der Kita investiert oder setzen sich Stimmen mit dem Wunsch nach Gebührenfreiheit durch?
Der Zwischenbericht »Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern« benennt erstmalig gemeinsame Handlungsziele zur Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung. Er formuliert gleichzeitig Kostenabschätzungen und zeigt Finanzierungsgrundlagen und -wege. Der Zwischenbericht wurde von einer Arbeitsgruppe erarbeitet, in der VertreterInnen vom Bund, den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, aus der Kita, von Verbänden und Organisationen sowie ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis zusammenwirkten. Auf der Familien- und Jugendministerkonferenz Mitte Mai 2017 in Quedlinburg einigten sich die Länder mit dem Bund auf die Eckpunkte für ein Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz. Danach werden die Länder vom Bund mehr finanzielle Mittel erhalten, um ihre Qualitätsziele zu verwirklichen.
http://www.fruehe-chancen.de/fileadmin/PDF/Fruehe_Chancen/Bund-Laender-Konferenz/Zwischenbericht_mit_unterschriebener_Erklaerung.pdf
Björn Köhler studierte Sozialarbeit und leitete acht Jahre lang das Sozialpädagogische Büro der GEW in Bayern. Jetzt übernahm er die Leitung des Organisationsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand in Frankfurt/Main.
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/17 lesen.