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Krippenfachkräfte auf dem Weg zur Profession
Mit dem Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren sind die Ansprüche an Bildung, Erziehung und Betreuung von Kleinkindern deutlich gestiegen. Vehement wird von frühpädagogischen Fachkräften professionelles Handeln erwartet und eingefordert. Vielfach erleben es die Fachkräfte als Zumutung, mit der Aufgabe des »Krisenmanagements« alleine gelassen zu werden. Verändern die hohen und oftmals schwer umzusetzenden Anforderungen das professionelle Selbstverständnis von Krippenfachkräften? Erhalten die Fachkräfte die Anerkennung, die ihnen zusteht? Regina Remsperger-Kehm geht diesen Fragen nach.
Mit dem im Jahr 2013 in Kraft getretenen Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren auf einen Betreuungsplatz in der Kita oder in der Tagespflege gingen einschneidende Umstrukturierungen im Feld der Frühpädagogik einher. Die Motive für den Ausbau der Krippenbetreuung sind sehr unterschiedlich: es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Qualität der Begleitung kindlicher Bildungsprozesse, den Ausgleich von Bildungsbenachteiligungen und um einen gesellschaftlichen Nutzen der frühen Kindertagesbetreuung (Viernickel 2012). Gleichzeitig existieren mitunter tradierte Vorstellungen in der Gesellschaft, die »Krippen gegenüber der Familienerziehung als minderwertige Settings charakterisieren und der Bedeutung des Verhaltens und der Emotionalität der Mutter (…) höchste Priorität einräumen« (Viernickel 2016: 96). Oftmals wird auch seitens der Politik Krippenfachkräften nicht der Status von Professionellen zugesprochen (Röhrig 2015; Betz 2015) – vielleicht auch, weil der hohe Anspruch der Aufgaben im Krippenalltag zwar gefordert, aber auf Ebene der Umsetzung nicht erkannt wird.
Hohe Ansprüche – geringe Anerkennung
Befragungen von Krippenfachkräften bestätigen diesen Eindruck: Die Fachkräfte fühlen sich weder angemessen bezahlt, noch gesellschaftlich in ihrem ExpertInnentum wertgeschätzt oder in ihrer professionellen Handlungsautonomie und Eigenverantwortung unterstützt. Außerdem fehle die Zeit für die pädagogische Arbeit, die Vor- und Nachbereitung und die Zusammenarbeit mit Eltern (Nentwig-Gesemann 2014). Deutlich wird, dass die systematische Entwicklung institutioneller Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unter drei Jahren in Deutschland bislang ausgeblieben ist und die Betreuung in Krippen mitunter als Trend angesehen wird. Die Kämpfe um Anerkennung werden dadurch noch verstärkt (Berlips 2015).
In den politischen Bestrebungen zum quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung wurde von jeher betont, dass nicht »irgendwelche«, sondern »gute Plätze« geschaffen werden sollen, die sich am Wohlbefinden und an der individuellen Förderung der Kinder sowie in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Eltern orientieren (Berlips 2015). Der Ruf nach Qualifizierung und Professionalisierung des pädagogischen Personals war und ist noch immer deutlich zu hören. Auf der anderen Seite hält jedoch nur ein Viertel der deutschen Bildungspläne wissenschaftlich fundierte und konkrete Anregungen für die Bildungsarbeit mit Kindern unter drei Jahren vor (Röhrig 2015). Während in den Lehrplänen von Fachschulen die Altersgruppe der Kinder unter drei Jahren meist nicht ausdrücklich berücksichtigt wird, fehlt auch in den meisten Hochschulstudiengängen die systematische Verankerung von Theorien und Konzepten für die pädagogische Arbeit mit Null- bis Dreijährigen (Berlips 2015). Ebenso lagen lange Zeit nur wenige wissenschaftliche Studien vor, die das Handlungsfeld der Krippenerziehung systematisch aufarbeiten (Jooß-Weinbach 2012).
Das Theoriedefizit im Bereich der Krippenpädagogik führt auf Seiten der Fachkräfte zu einem »dreifachen Dilemma« (Jooß-Weinbach 2012: 119): es fehlt an praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern unter drei Jahren, an wissenschaftlichem Wissen sowie an grundlegenden Konzeptionen zur Ausrichtung des eigenen pädagogischen Handelns. Aus diesem Grund übertragen einige Fachkräfte im Alltag Erfahrungswissen aus ihrer vorherigen Arbeit mit älteren Kindern oder auch aus privaten Lebenszusammenhängen unreflektiert – und damit nicht professionell – auf ihr neues Handlungsfeld (Berlips 2015). Der Professionalisierungsbedarf ist somit hoch und wird derzeit in Deutschland mit einem umfangreichen, aber unsystematischen und wenig transparenten Fort- und Weiterbildungsangebot beantwortet. Länder- und trägerübergreifende einheitliche Qualitätsstandards zum inhaltlichen, didaktischen und strukturellen Aufbau von Weiterbildungen im Feld der Arbeit mit Kindern unter drei Jahren fehlen (Jooß-Weinbach 2014).
Prof. Dr. Regina Remsperger-Kehm studierte Sozialwesen an der Fachhochschule Wiesbaden und promovierte zum Thema »Sensitive Responsivität in der Erzieher/in-Kind-Interaktion«. Die vierfache Mutter ist Professorin für »Pädagogische Grundlagen der Sozialen Arbeit und Kindheitswissenschaften« am Fachbereich Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz.
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/17 lesen.