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Early Excellence als Leitphilosophie
Familien bestehen längst nicht mehr nur aus Vater, Mutter, Kind. Wie im Early Excellence-Ansatz unterschiedliche Familien durch verschiedene Angebote im Sozialraum gefördert werden, beschreibt Jutta Burdorf-Schulz.
Kitas stehen überall in unserem Land vor der Herausforderung, sowohl Lern- und Bildungsraum für Kinder als auch Dienstleistungs- und Kommunikationsstätte für die ganze Familie zu sein. Der Bildung wird dabei als positiver Sozialisationsfaktor große Bedeutung beigemessen. Dafür ist es notwendig, nachhaltig neue Arbeitsstrukturen zu etablieren, die sich all diesen Aufgaben stellen. Weil das in den Ohren von PraktikerInnen wahrscheinlich vor allem nach vielen schönen Worten klingt, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen, wie dieser Anspruch in der Arbeit nach dem Early Excellence-Ansatz umgesetzt wird. An die folgende Szene erinnere ich mich gut, denn sie trug sich in dem von mir mehr als 10 Jahre lang geleiteten Familienzentrum Kiez-oase1 im Berliner Bezirk Schöneberg zu:
Ins Familienzentrum kamen Thomas und Susanne2 durch einen Pekip-Kurs mit ihrem ersten Sohn Leon, der in einer benachbarten Kita betreut wurde. Bald besuchten sie auch unsere Eltern-Kind-Nachmittage und nahmen an der Gruppe »Zusammen Aufwachsen« teil. Sie schätzten den Austausch mit anderen Eltern. Zwei Jahre später kamen auch ihre Zwillinge Paul und Julius dazu. Am Konzept von Early Excellence gefiel ihnen: »Wir finden es gut, dass mehr die Beobachtung der Kinder, statt Animation im Vordergrund steht und ihnen mit ihren Stärken Raum gegeben wird, damit sie ganz gelassen ihren Weg finden können. Das gefällt uns auch im Familienzentrum. Wir haben Kontakte auf entspannte Art und Weise zu anderen Familien und bekommen Unterstützung in unserer Elternfürsorge. Seit Jahren engagieren wir uns ebenfalls und laden einmal im Monat andere Familien zu einem Sonntagsfrühstück ein.«3
Stärkende Erfahrungen
Die Familie als wichtigste Instanz für die Entwicklung von Kindern ist einem stetigen Wandel unterworfen. Sie bestehen schon lange nicht mehr ausschließlich aus einem deutschen Vater, einer deutschen Mutter und deren gemeinsamen Kindern. Neben solchen Kleinfamilien haben sich inzwischen etliche andere Lebensformen etabliert, wie z.B. bikulturelle, Patchwork-, gleichgeschlechtliche und alleinerziehende Familien. Im Grunde ist jede Familie unterschiedlich und braucht unterschiedliche Angebote zur Unterstützung und Selbstverwirklichung. In spezifischen Gruppen und Beratungen, offenen Treffmöglichkeiten wie Familientagen und durch ein buntes Aktionsprogramm können Familien entsprechend ihren Bedürfnisse zusammenkommen, sich kennenlernen und sich austauschen. Insbesondere in Belastungssituationen erleben sie dort Rückhalt, Ermutigung und Orientierung. Diese Erfahrungen stärken die Familien und beeinflussen deren soziale Sicherheit und Selbstwertgefühl positiv.
Es gilt deshalb, den »positiven Blick« auf das Potential eines jeden Kindes und Erwachsenen zu erkennen und anzuwenden. Die partnerschaftliche Einbeziehung der Eltern bildet auch den Ausgangspunkt für die Angebotserweiterung zum Familienzentrum. Die angestrebte Öffnung – mit dem Ziel einer familienfreundlicheren Infrastruktur im Stadtteil durch Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen – kann je nach Ausgangslage ein langjähriger Prozess sein und ist von vielen Faktoren abhängig. Es gibt also kein »Patentrezept«, wie die Erweiterung aussehen sollte, sondern es können nur wegweisende Hinweise gegeben werden.
In der Broschüre des Pestalozzi-Fröbel-Hauses »Das Leben in die Hand genommen« findet sich ein weiteres Beispiel, das gut beschreibt, dass Sozialraum fast wie von selbst wächst, sobald Eltern die Möglichkeit bekommen, sich zu begegnen: Tanja und Lea7 lernten sich beim Babyturnen im Familienzentrum kennen. Tanja hatte bereits den Pekip-Kurs besucht und Lea den Erste-Hilfe-Kurs für Eltern von Babys und Kleinkindern. Schnell waren sie sich einig: Es gibt zu wenige Angebote für Alleinerziehende im Bezirk und sie beschlossen selbst initiativ zu werden und einmal im Monat ein Frühstück für Alleinerziehende im Kiez-Café in eigener Regie zu organisieren. Gaby, Sozialpädagogin im Familienzentrum, hatte sie auf die Idee gebracht und bei der Werbung und den ersten Treffen unterstützt. Kinder, so sagen beide Frauen, verändern alles: Die Perspektive, die Prioritäten und den Freundeskreis. Sie sind auch weiterhin oft im Familienzentrum. Zum Kinderturnen, zum Kuchen essen, zum Reden. Die Elternzeit macht es möglich. Doch bald arbeitet Lea wieder ganze Tage und Tanja ist als Selbstständige auch wieder mehr eingespannt. Ihre Treffen für Alleinerziehende werden sie an den Wochenenden weiter anbieten und sich darüber hinaus privat gegenseitig unterstützen.
Jutta Burdorf-Schulz ist pädagogische Fachberaterin für Kindertagesstätten und Familienzentren im Pestalozzi-Fröbel-Haus, Berlin. Sie leitete über 10 Jahre ein Familienzentrum in Berlin, ist Referentin für den Early Excellence- Ansatz, Erzieherin, Sozialpädagogin und MA of Arts for Integrated Provision for Children and Families.
Kontakt
1 www.pfh-berlin.de/kinder-und-jugendhilfe/familienzentren/kiezoase
2 Namen wurden geändert
3 Aus der Broschüre: Das Leben in die Hand genommen, PFH-Berlin
4 www.pengreen.org
5 www.pfh-berlin.de
6 www.heinzundheideduerrstiftung.com
7 Namen wurden geändert
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/17 lesen.