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Feste der Religionen und Kulturen: Die Toten feiern
Ein Jahr ist für Kitakinder eine unüberschaubar lange Zeit. Sowohl die Natur mit ihrem Wechsel der Jahreszeiten als auch die Kultur mit immer wiederkehrenden – meist religiös geprägten – Festen hilft ihnen, sich im Jahreskreis zu orientieren. In unserer Serie »Feste der Religionen und Kulturen« hat Kirsten Dietrich für uns zusammengestellt, wie religiöse Feste gefeiert werden und was davon Kindern im Kitaalltag erfahrbar gemacht werden kann.
Es erscheint auf den ersten Blick wie ein Paradox: Der Tod ist den meisten Kindern immer weniger präsent, aber Feste, die im Totengedenken ihre Wurzeln haben, werden immer populärer. Halloween oder auch das mexikanische Totenfest sind mit Allerheiligen, dem katholischen Feiertag zur Erinnerung an die Toten, nicht nur durch den gemeinsamen Termin eng verbunden, sie verdrängen diesen kirchlichen Feiertag, vor allem in den Städten, immer mehr. Alle diese Totenfeste können aber mehr sein als nur Gelegenheit für Kostüme und Grusel. Sie können gerade für Kinder das schwer fassbare Phänomen Tod veranschaulichen.
Der Schleier zwischen den Welten zerreißt
Es ist sicher kein Zufall, dass die Totengedenktage auf der Nordhalbkugel zwischen Ende Oktober (Halloween) und Ende November (der protestantische Toten- oder Ewigkeitssonntag) liegen. Die Erntezeit ist endgültig vorbei. Die Nächte werden länger als die Tage, und das Absterben des natürlichen Wachstums ist spürbar wie nie.
In dieser Zeit, so überliefern es verschiedene Traditionen, werde die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten dünn und in manchen Nächten sogar durchlässig. Diese Zeit gilt auch als Zeit der Entscheidung. Angeblich feierten die Kelten auf der irischen Insel in vorchristlichen Zeiten in dieser Jahreszeit das Fest Samhain mit großen Feuern und Begegnungen mit Geisterwesen und Toten. Aus der Überlieferung lässt sich allerdings keine Originalversion des Festes herleiten, denn alle Zeugnisse stammen aus Zeiten, in denen bereits das Christentum die dominierende Religion war, deswegen gibt es die keltischen Traditionen nur vermischt mit christlichen.
Märtyrer, Fegefeuer, Grab: Allerheiligen
Zum Heiligen der christlichen Kirche kann werden, wer Wunder tut – oder wer einen gewaltsamen Tod für den Glauben stirbt. Spätestens im 6. Jahrhundert gab es bereits so viele von ihnen, dass nicht mehr für jeden und jede ein eigener Gedenktag frei war. Allerheiligen wurde eine Art Sammelgedenktag für alle Heiligen. Initiiert wurde das Fest vermutlich im Jahr 609. Ursprünglich im Mai gefeiert, wanderte der Gedenktag im 9. Jahrhundert auf den 1. November – und blieb dort. Zum Gedenken an die Heiligen kam das Erinnern an die Toten der jeweils eigenen Familie: Allerseelen am 2. November, als Gedenken an die armen Seelen, die (noch) im Fegefeuer büßen. Wenn die Gräber gesegnet wurden, geschah das in dem Wunsch, deren Leiden zu erleichtern.
Dass die Seelen der Verstorbenen an Allerheiligen und Allerseelen zurückkehren, ist sicher keine theologische Lehrmeinung, aber der sogenannte Volksglauben griff diese Vorstellung gerne auf. Auch deswegen zünden Katholiken Kerzen auf den Gräbern an, in manchen Gegenden backt man süße Brote, entweder für die Gräber oder als Geschenk von Paten für ihre Patenkinder.
Auch wenn es an Allerheiligen und Allerseelen um die Toten der eigenen Familie geht, also um die, zu deren Gräbern man geht: als Familienfest würde man den Gedenktag wohl kaum bezeichnen. Der ernste Charakter steht im Vordergrund, die Trauer um die Verstorbenen – für Kinder ein schwieriges Fest.
Buch- und Netztipps
Es gibt inzwischen viele Bücher über Tod und Sterben – hier einige besonders schöne und ungewöhnliche:
In Die schlaue Mama Sambona, einer Fabel vor afrikanischem Hintergrund mit Illustrationen von Tobias Krejtschi, erzählt Hermann Schulz wie eine schlaue alte Frau dem Tod ein Schnippchen schlägt. Wuppertal 2007
In Und was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod von Pernilla Stalfelt ist jede Frage zum Thema erlaubt und wird ohne falsche Zurückhaltung, aber nie respektlos beantwortet. Frankfurt a. M. 2015
Ente, Tod und Tulpe von Wolf Erlbruch ist eine zarte Meditation über den Tod, schlicht und klar. (München 2007)
Auf http://archive.azcentral.com/ent/dead/teachers/teacherpacket_edited.pdf finden Sie jede Menge Malvorlagen und Basteltipps für Masken, Skelettmarionetten, und mexikanische Papierbilder.
Kirsten Dietrich arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie hat evangelische Theologie studiert und arbeitet als Autorin für ARD und Deutschlandradio zu Themen am Schnittpunkt von Religion, Gesellschaft und Kultur. Sie hat zwei Kinder, die gerade ins Schulalter hineinwachsen.
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/17 lesen.