Von der Magie, die eigene Welt zu entdecken
Die erzählende Vermittlung von Wissen und Weitergabe von Glaube und Geschichte(n) geht verloren. Auch in der Kita Herz-Jesu im Nordrhein-Westfälischen Fröndenberg waren das Vorlesen und Erzählen zwar Bestandteil der Arbeit, doch gerade das Erzählen gehörte eher zu den Randerscheinungen. Zumindest bis die Leiterin Barbara Menge eine Erzählwerkstatt besuchte.
Von »Es war einmal« bis hin zu Alltagsgeschichten und modernen Erzählungen – bei all dem dachte ich, Inhalte bereits einigermaßen talentiert zu den Kindern transportieren zu können. Diese Einschätzung änderte sich, als ich an einem Erzählabend teilnahm. Dort erlebte ich Debütantinnen – darunter auch Kolleginnen aus den anderen Einrichtungen unseres Familienzentrums –, die gemeinsam mit ihren Ausbildern einen bunten Strauß von Märchen und Geschichten präsentierten. Ihre Vorstellung war derart packend und lebendig, dass ich völlig fasziniert war und beschloss, mich selbst in einer Fortbildung, die über 16 Monate ging, zur Erzählerin ausbilden zu lassen. Dass dies möglich wurde und unsere Kita seit August 2017 als Erzählwerkstatt »Erzähl mir deine Hoffnung« zertifiziert ist, verdanke ich einer Initiative unseres Trägers in Kooperation mit dem katholischen Familienbund.
In insgesamt drei Modulen von jeweils drei Tagen und zwei Nachmittagstutorien erlernten wir von SchauspielerInnen, Theologen, einem Trommelgeschichtenerzähler, einem Puppen- spieler – alle von ihnen waren auch professionelle ErzählerInnen – das Handwerk des Erzählens. Dieses zeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit aus, einen intensiven, direkten Kontakt mit unseren ZuhörerInnen aufbauen zu können und sie eine Erzählung sozusagen »vor Ort« erleben zu lassen. Einer unserer Ausbilder nannte das ganz passend »ihnen durch eine Geschichte, Bilder und Empfindungen in den Kopf zu malen«.
Erzählen heißt Erleben lassen
Ausbildungsinhalt war das Erlernen verschiedener Erzählmethoden, das Nutzen von Requisiten wie Stift und Papier, Erzählkarten, Stoff für eine einfache Puppe, kleine Verkleidungsutensilien und vieles mehr. Selbstverständlich bekamen wir auch Theorie vermittelt und vor allem jede Menge Praxis: Erzählen lernen mit Mimik und Gestik, mit Händen und Füßen, mit Körper und Stimme, um mit all diesen Gestaltungsmitteln eine atmosphärische Umgebung zu schaffen, die für die jeweilige Geschichte passt.
Als Hausarbeit mussten wir uns eigene Geschichten erarbeiten und sie beim nächsten Treffen vor den Mitlernenden und den Profis erzählen. Ich habe oft darüber gestaunt, wie viel Zeit es braucht, bis eine Geschichte rund ist – vom Festlegen des Inhalt und des Beginns, des roten Fadens und dem Schluss und vor allem, bis man es geschafft hat, sie zur eigenen Geschichte zu machen und frei zu erzählen. Wie kann der Inhalt transportiert werden Welche »Kulisse«, welchen Ort, welches Zimmer male ich erzählend für die ZuhörerInnen, wohin sollen sie mich gedanklich begleiten? Erst wenn die Geschichte »mein« geworden ist, ist sie reif zum Erzählen.
Unsere Kinder freuen sich sehr auf die Erzählrunde, die jetzt fest alle zwei Wochen im Angebot ist. Wenn morgens die Erzählschatzkiste und die Geschichtenlampe in der Eingangshalle stehen, wissen sie: Heute ist es soweit. Den kleinen begrenzten Bereich in der Eingangshalle richte ich für sie mit Picknickdecken her und dann hole ich die Kinder, die an der Erzählrunde teilnehmen möchten, aus den Gruppen ab. Sobald alle einen gemütlichen Platz gefunden haben, nehme ich zu Beginn der Geschichtenzeit meist einen zum Erzählinhalt gehörenden Gegenstand aus der Geschichtenkiste. Manchmal schlüpft auch die Geschichtenkatze, die sehr gern Erzählungen hört, dort heraus: »Erzähl uns was, sagt die Katze und leckt sich die Tatze« und dann beginnt die Geschichtenzeit.
Barbara Menge ist Erzieherin und Einrichtungsleiterin einer zweigruppigen Kita für Kinder von 2 bis 6 Jahren im Verbundfamilienzentrum im Pastoralverbund in Fröndenberg.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/18 lesen.