Vergütete berufsbegleitende ErzieherInnenausbildung gegen den Fachkräftemangel
Angesichts des Fachkräftemangels an ErzieherInnen in Kindertageseinrichtungen setzen viele Bundesländer zunehmend auch auf den Ausbau vergüteter berufsbegleitender bzw. praxisintegrierter Ausbildungsmodelle. In diesen Ausbildungsformen arbeiten FachschülerInnen neben ihrem schulischen Unterricht in der Regel in einer sozialpädagogischen Einrichtung und erhalten dafür eine (Ausbildungs-)Vergütung1. Jens Krabel, Jannes Boekhoff und Sandra Schulte gehen auf die Entwicklung vergüteter berufsbegleitender bzw. praxisintegrierter Ausbildungsgänge ein, benennen die Attraktivitätsfaktoren und Risiken dieser Ausbildungsform und stellen Beispiele guter Praxis aus Modellprogrammen und den Bundesländern vor.
Die Entwicklung vergüteter Ausbildungsmodelle in den Bundesländern
Der Mangel an qualifizierten pädagogischen Fachkräften ist heute bei vielen Trägern von Kindertageseinrichtungen zu spüren. Mit dem quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung, auf den sich Bund und Länder verständigt haben – zuletzt im Rahmen des im Sommer 2018 verabschiedeten KiTa-Qualitätsentwicklungsgesetz (KiQuEG) –, wird der Fachkräftebedarf weiter ansteigen. Deshalb gehört die Frage, mit welchen Strategien dem Fachkräftemangel im Bereich der frühen Bildung begegnet werden kann, zu den zentralen bildungspolitischen Herausforderungen. Als eine Maßnahme zur Gewinnung von (mehr) Fachkräften empfiehlt die Bund-Länder-AG »Fachkräftegewinnung Erzieherinnen und Erzieher« (BLAG) die Ausweitung vergüteter praxisintegrierter Ausbildungsgänge. In den Handlungsempfehlungen der BLAG heißt es: »Gerade in der Konkurrenz mit anderen Ausbildungsberufen werden sich perspektivisch Ausbildungsberufe nur dann durchsetzen, wenn sie von Anfang an mit einer Vergütung verbunden sind. (…) Erste Erfahrungen zeigen, dass es mit Hilfe vergüteter praxisintegrierter Ausbildungen gelingt, sowohl noch mehr junge als auch berufs- und lebenserfahrene Personen für den Beruf der Erzieherin/Erzieher zu gewinnen, darunter auch mehr Abiturient/-innen und Männer. Auch hat sich die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber seit der Einführung des Ausbildungsmodells stark erhöht.«2 (vgl. JFMK 2018, S. 66).
Diese starke Erhöhung vergüteter Ausbildungsmodelle lässt sich zahlenmäßig eindrucksvoll belegen. In der Tabelle 1 sind die Anteile vergüteter Ausbildungsformen in ausgewählten Bundesländern für das Schuljahr 2016/17 im Vergleich zum Schuljahr 2012/13 dargestellt.
Attraktivitätsfaktoren der vergüteten Ausbildung
Bei einer von der Koordinationsstelle »Chance Quereinstieg/ Männer in Kitas« im Januar 2018 organisierten Fachveranstaltung zur vergüteten berufsbegleitenden ErzieherInnenausbildung waren sich die ReferentInnen und TeilnehmerInnen weitestgehend über die wesentlichen Attraktivitätsfaktoren dieser Ausbildungsform einig.3 An erster Stelle steht dabei die Vergütung, die es den FachschülerInnen ermöglicht, ih-ren Lebensunterhalt schon während der Ausbildung (zumindest teilweise) zu bestreiten. Familienministerin Giffey äußerte dann auch kurz nach ihrem Amtsantritt die Hoffnung, dass durch eine (generelle) Vergütung der ErzieherInnenausbildung sich mehr (junge) Menschen für den ErzieherInnen-Beruf entscheiden könnten.4 Da die ErzieherInnenausbildung mehrheitlich von Frauen absolviert wird, trägt die vergütete Ausbildung, in der auch Rentenansprüche erworben werden, zudem zu einer Reduzierung des Gender Pay und Gender Pension Gaps5 bei.
Ein weiterer Attraktivitätsfaktor wird auch in dem oben erwähnten Handlungsempfehlungspapier der BLAG benannt: In den vergüteten Ausbildungsgängen sind fachfremde und -nahe QuereinsteigerInnen, Männer und Personen mit Migrationshintergrund stärker vertreten als in den vollzeitschulischen Ausbildungen. Das Kita-Personal wird dadurch »bunter«. Die Praxismentorin Christiane Gebhardt beschrieb auf der Fachveranstaltung der Koordinationsstelle den Gewinn, den die Kitas dadurch haben, folgendermaßen: »Die Freude, über die vielen Quereinsteigenden, die unseren Beruf erlernen möchten, ist groß! Da kommen gestandene Persönlichkeiten in unsere Kitas, die bereits in anderen Berufen gearbeitet haben. Sie sind hoch motiviert, interessiert und interessant dazu. Mit ihnen weht ein frischer Wind in die Kitas. Kurzum, wir empfinden die Quereinsteigenden als eine Bereicherung für unsere Kita-Landschaft.« Aus ExpertInnen-Interviews mit FachschuldozentInnen, die im Rahmen der inhaltlichen Begleitung des ESF Bundesmodellprogramms »Quereinstieg – Männer und Frauen« geführt wurden, ist ersichtlich, dass auch viele der DozentInnen die QuereinsteigerInnen ihre Lebenserfahrung und ihre Kompetenzen, die sie durch ihre Lebenserfahrung und anderen Berufe erworben haben, als Bereicherung erfahren.
Jens Krabel arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Fachreferent in der Koordinationsstelle »Chance Quereinstieg/Männer in Kitas«.
Kontakt
Sandra Schulte und Jannes Boekhoff arbeiten in der Koordinationsstelle »Chance Quereinstieg/Männer in Kitas«, die an die Katholische Hochschule für Sozialwesen in Berlin angegliedert ist und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wird.
Kontakt
1 Je nach Bundesland richtet sich diese Ausbildungsform nur an einschlägig vorgebildete SozialassistentInnen und KinderpflegerInnen (z.B. Nie-derachsen und Thüringen) bzw. auch an AbiturientInnen und nicht einschlägig vorgebildete BerufswechslerInnen (z.B. Berlin, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen, u.a.).
2 Vergütete Ausbildungsformen sind in den Bundesländern nicht nur unter der Bezeichnung »praxisintegrierte Ausbildung« (PIA) bekannt. PIA ist insbesondere in Baden-Württemberg und NRW etabliert. Je nach Bundesland werden diese Ausbildungsformen auch als berufsbegleitende (Teilzeit-) Ausbildung (u.a. Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen) bzw. berufsbegleitende Weiterbildung (Hamburg), als Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen« OptiPrax« (Bayern) oder als Teilzeitausbildung (u.a. Hessen) bezeichnet. In letzter Zeit sind auch vergütete Ausbildungen ins Leben gerufen worden, bei denen (Berufs-) FachschülerInnen berufsbegleitend zu »Fachkräften für Kindertageseinrichtungen« qualifiziert werden (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt).
3 Die Dokumentation der Fachveranstaltung ist abrufbar unter: https://www.chance-quereinstieg.de/aktuelles/fachveranstaltung/dokumentation-fachveranstaltung-18-januar-2018/
4 Siehe: http://www.tagesschau.de/inland/bezahlung-erzieher-101.html
5 Der Begriff Gender Pay Gap beschreibt den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Frauen und Männern. Der Gender Pension Gap verweist auf die unterschiedliche Höhe der Alterseinkommen von Frauen und Männern.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/18 lesen.