Der HUCKEPACK Bilderbuchpreis für »Ein eiskalter Fisch«
Seit 2016 wird einmal im Jahr vom Bremer Institut für Bilderbuchforschung, der Phantastischen Bibliothek Wetzlar und dem verlag das netz gemeinsam der HUCKEPACK Bilderbuchpreis vergeben. Dieser würdigt Bilderbücher, die nicht nur inhaltlich und ästhetisch berühren, sondern darüber hinaus auch dazu geeignet sind, Kinder emotional zu stäken. Es sind diese besonderen Bücher, die es schaffen, Kinder und VorleserInnen in ihrem Leben ein kleines Stückchen weiterzubringen, Bücher, die bleiben. Von den elf nach Meinung der Jury besten Titeln des vergangenen Jahres wurde im Frühsommer »Ein eiskalter Fisch« von Frauke Angel und Elisabeth Kihßl aus dem Tyrolia-Verlag mit dem HUCKEPACK Bilderbuchpreis ausgezeichnet. Jurymitglied Dr. Elisabeth Hollerweger hebt das Besondere dieses zutiefst berührenden Bilderbuches hervor.
Ein Erwachsener, der ein Kind auf seinen Schultern trägt und es dabei an den Armen festhält – ein Kind, das auf den Schultern eines Erwachsenen sitzt und dabei an den Armen festgehalten wird: Diese innige Szene legt bereits auf dem Cover von »Ein eiskalter Fisch« den Huckepackgedanken nahe, der für die Auszeichnung von Bilderbüchern mit dem Huckepackpreis ausschlaggebend ist. Die Geste der Verbundenheit wird durch die Rückansicht der Figuren zusätzlich hervorgehoben und bildet gleichzeitig einen Kontrast zum Titel, der sich in den ersten Sätzen der aus der Sicht des Kindes erzählten Geschichte noch verstärkt: »Heute war der schönste Tag in meinem ganzen, langen Leben. Heute ist Onno gestorben.« Die Irritation, die der Superlativ »schönste« in Verbindung mit dem Tod zunächst hervorruft, relativiert sich in der kindlichen Logik des erzählenden Protagonisten.
Wie sich seine Trauer um den Fisch Onno in der völlig ungewohnten Emotionalität des Vaters auflöst, wird in tiefgründigen Imitationen kindlichen Sprachgebrauchs veranschaulicht: »Papa hat es nämlich nicht so mit der Gefühlsduselei. Sagt er. Aber heute hat er sich gefühlt. Und das war überhaupt nicht dusselig.« Dieser Bestandsaufnahme entsprechend rückt auf den folgenden drei Doppelseiten die Verbundenheit zwischen Vater und Kind in den Fokus, die vom zaghaften Anlehnen über eine innige Umarmung bis hin zum gemeinsamen Liegen auf der Couch reicht – eine richtige »Kuscheltyperei« eben. Die Exklusivität dieser Nähe manifestiert sich nicht zuletzt in der wiederholten »Überraschung «, die das Kind erlebt: »Das war das Schönste überhaupt. Und eine Überraschung. [...] Aber heute. Die Überraschung. In Papas Armen war es weich und warm.«
Was es mit dieser plötzlichen »Gefühlsduselei« des Vaters auf sich hat, entfaltet sich erst nach und nach zwischen den Zeilen und vor allem im engen Zusammenwirken von Text und Bild. Denn während sich das Kind voller Hingabe den Vorbereitungen von Onnos Beerdigung widmet, wird immer wieder auf die elterliche Beziehung als zusätzliche Erzählebene verwiesen. So dient die hinterlassene Notiz der Mutter an den Vater dem Kind als Vorlage für seinen Abschiedsbrief an Onno: »Ich liebe dich sehr, auch wenn du ein eiskalter Fisch bist.«
Die Wichtigkeit dieser Botschaft wird dadurch unterstrichen, dass die Außensicht auf die Figur hier durch eine Mitsicht mit der Figur ergänzt wird und die handgeschriebenen, teilweise verdrehten Großbuchstaben aus dem Blickwinkel des Protagonisten lesbar werden. Fungiert der Fisch in dem ursprünglichen Satz der Mutter allgemein als Metapher für den Vater und ist erst in der Veränderung des Adressaten auch wörtlich zu verstehen, wird die Mutter auch ganz konkret mit dem Fisch Onno verglichen: »Onno war nämlich mein einziger Fisch. So wie Mama Papas einzige Frau ist. Zum Glück ist Mama nicht tot. [...] Mama kommt immer wieder.« Die Verbindung zwischen der Mutter und dem toten Fisch stellt der Protagonist zusätzlich über den Geruchssinn her, indem er Onno in eine Schüssel legt, die er mit den Orchideen und dem Parfüm der Mutter füllt.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2021 lesen.