Ein Film über die wundervolle Welt der Kita Wilde 9
Bereits als Teenager hat sich Emanuel Malveiro dem Studium der Filmregie verschrieben – stets bestrebt, Geschichten zu erzählen, die bewegen. Besonders bewegt hat den Vater von zwei Kindern die Arbeit am Dokumentarfilm »Früchte des Lebens« im Kindergarten Wilde 9, einem kleinen, magischen Ort in der Nähe von Greifswald.
Bis heute hat die Zeit, in der die Dokumentation »Früchte des Lebens« entstand, für mich eine besondere Magie. Was mich an der wundervollen Welt der Wilden 9 in Guest bei Greifswald grundlegend faszinierte, war die Achtsamkeit, mit der die Menschen Kinder sehen und ihnen begegnen. Respek voll experimentierten sie über Jahre hinweg, um letztendlich ein Konzept zu entwerfen, das einzigartig ist in seiner Herzlichkeit, Fairness und Selbstentdeckung. Besonders überrascht hat mich die Vielzahl der Ideen und Referenzen, die an diesem Ort gelebt werden. Als ich zum ersten Mal den Raum, das Haus und den Garten betrat, machte mich deren Schönheit geradezu sprachlos.
Agent der Lebensfreude
Weil sich die Geschichten vor den Augen Filmschaffender unmittelbar entfalten und wenig Zeit bleibt, sie festzuhalten, behält man meist fast automatisch eine konstruktive, professionelle Distanz zu seinen Filmen und deren Themen. Für dieses Projekt jedoch habe ich mich bewusst von meine Sensibilität führen lassen – im Vertrau- en darauf, dass das, was mich anzieht, auch in anderen Resonanz findet. Die Sensibilität formte sich u.a. durch die Gespräche mit Anja Niemand, Vorstand des Trägers der Wilden 9, und auch dadurch, dass ich kurz zuvor selbst zum ersten Mal Vater geworden war. Ich lernte zu erkennen, welche Relvanz das Ganze im Einzelfall hat und welche Wirkung die Absicht in unseren Worten oder der Tonfall insbesondere in schwierigen Momenten.
Immer wieder ließ ich mich von der Frage leiten, wie ich ein wahrhaftiger Agent für dieLebensfreude meiner Kinder sein kann. Jesper Juul und seine Kollegin Helle Jensen sind, neben den Namensgeber:innen Mauricio und Rebeca Wild, eine wichtige Referenz in der Wilden 9. Die Entdeckung ihrer Bücher motivierte mich, im Film nicht nur die pädagogi- sche Praxis zu dokumentieren, sondern ein Level höher bzw. tiefer anzusetzen und dem Film durch die Interviews mit Helle Jensen ein psychologisches Backup zu geben.
Fokus auf Beziehung
Regelrecht bewusstseinserweiternd war für mich die Beobachtung, wie sehr das pädagogische Konzept der Wilden 9 mit allen Regeln der mir vertrauten »südländischen« Erziehung bricht, indem der Fokus auf die zwischenmenschliche
Beziehung gelegt wird und nicht auf vermeintliche Höflichkeit und das Setzen von Grenzen. Im gewissen Sinne versimplifizieren die Pädagog:innen der Wilden 9 die Begleitung der Kinder so sehr, dass Raum für Lebendigkeit geschaffen wird, und die zeigt sich in den Kindern und ihrer Spielfreude. In der Beziehung mit meiner eigenen Tochter wurde mir während der Dreharbeiten klar, wie sehr der »traditionelle Erziehungsstil«, von dem die meisten von uns kommen, unsere Kindheitserfahrung limitierte und leider noch heute kaum Alternativen zur »industriellen Bildung« kennt.
Die Erzieher:innen in der Wilden 9 tun alles andere als »alles in Schach zu halten«. Ich habe Anja, Han- nes, Christoph, Robert und Emil – das Kernteam zu der Zeit, als ich den Film drehte – nicht als Dompteur:innen sondern als Gärtner:innen wahrgenommen, die sich jeder subtilen Veränderung in den kleinen und großen Beteiligten aufmerksam zuwenden und danach streben, neue Wege offen, barrierefrei und vertrauenswürdig zu halten.
Emanuel Malveiro ist 1993 in Porto / Portugal geboren. Nach zwei Jahren in Deutschland entschied sich der Filmmacher, mit seiner Familie in die Heimat zurückzukehren.
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Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/2023 lesen.