Freiburg-Vauban:
Ein Stadtteil für Kinder
Auf einem ehemaligen Kasernengelände entstand vor gut drei Jahrzehnten das familienfreundliche, autoreduzierte Freiburger Wohnviertel Vauban. Hier wohnen überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche, und man sieht sie auch. Wo Kinder statt Autos das Straßenbild prägen, steigt der Verbrauch an Straßenkreide. Ein Beitrag der Umweltpädagogin Reinhild Schepers vom Stadtteilverein Vauban e.V.
Was für uns Stadteilbewohner:innen ein gewohnter Anblick ist, versetzt Besucher:innen regelmäßig in Erstaunen: Wohin man schaut, Eltern mit den Jüngsten im Lastenfahrrad, im Schlepptau die größeren Kinder auf eigenen Fahrrädchen, Laufrädern oder Rollern. Wie stressfrei und umweltfreundlich die Abholsituation an den Kitas vor sich geht, wenn die Kleinen ruckzuck selbst die Anhänger der sich auf dem Vorplatz versammelnden Fahrräder oder ihre eigenen hier abgestellten Fahrzeuge besteigen. Nur wenige Kinder, die weiter entfernt wohnen, werden mit dem Auto abgeholt. Andere, die an einer der nahegelegenen Spielstraßen wohnen, können den Weg von und nach Zuhause sogar ohne Begleitung Erwachsener gehen. Das fördert nicht nur die eigenständige bzw. kindgerechte Mobilität. Die wohnungsnahen Spielräume tragen auch dazu bei, den Bewegungsradius der Kinder altersgemäß zu erweitern.
Bewegungsfreiheit
Auch der für Autos freigegebene Straßenraum gehört allen. Es gibt keine Bürgersteige. Zu Fuß Gehende haben Vorrang, und Kinder, die hier spielen, lernen sehr schnell, dass sie, wenn ein PKW auftaucht, nicht sofort zur Seite springen müssen. Durch die vorgegebene Schrittgeschwindigkeit dürfen Autofahrende vor ihnen gehende Fußgänger:innen nicht überholen. Eine besondere Herausforderung stellt das eigentlich nur für die häufig unter Zeitdruck stehenden Fahrer:innen der Lieferdienste dar. Dass sich im entschleunigten Vauban gut Zeit verbringen lässt, hat sich auch bei den benachbarten Kitas herumgesprochen. Insbesondere zwei Gruppen U3-Kinder und eine Gruppe einer Kita, die kein eigenes Außengelände hat, ziehen regelmäßig bei uns ihre Runden. In den verkehrsberuhigten Bereichen können sie samt ihrer Bollerwagen Zwischenstopps einlegen und unbesorgt in einen der fünf Grünbereiche – wir nennen sie »Grünspangen« – mit Kleinkindspielbereichen gelangen. In einem von ihnen stehen mehrere über 80 Jahre alte Eichen und Platanen. Eicheln können gesammelt und Eicheln können gesammelt werden, und in einem kleinen Labyrinth lässt es sich gut Verstecken spielen. Auch die Handpumpe mit Trinkwasser hat als Besonderheit ein Becken aus rotem Sandstein, an dessen Rand eine Echse sitzt, gestaltet von einem Künstler aus dem Quartier. An Sommertagen können dort Bienen beobachtet werden, die kurz Wasser trinken und auch in den Bau bringen, bevor sie wieder zu den Blüten in einen der vielen naturnah angelegten Gärten und öffentlichen Grünbereiche fliegen.
In Ruhe malen
Die Spielstraßen in Vauban werden gern und oft mit Straßenkreide bemalt. Mitunter gesellen sich Erwachsene dazu. Auch die Schauspielerin Annette Frier und ihren Kollegen Axel Prahl, die samt Filmcrew im Sommer 2022 auf der Suche nach zukunftsfähigen Projekten bei uns Halt machten, konnte die Sorge vor Kreidestaub an der Kleidung nicht davon abhalten, sich vom Flow der Kinder anstecken zu lassen. Wie schon viele Besucher:innen vor ihnen waren sie begeistert davon, »so lange in Ruhe malen können«, ohne von einem Auto unterbrochen zu werden.
Eine andere Gruppe Besucher:innen nahm im Sommer 2017 einen besonders weiten Weg auf sich, um eine Woche lang Inspirationen in Vauban zu sammeln. Die Teilnehmenden kamen aus Brasilien und waren Entscheidungsträger:innen aus der öffentlichen Verwaltung sowie von Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Pädagogik, Stadtplanung und Stadtentwicklung, Mobilität und Kinder und Jugend.
Sie wollten so viel wie möglich zum Thema Kinder und Natur in der Stadt erfahren und sich mit lokalen Organisationen austauschen, um eine Idee davon zu bekommen, welche technischen Lösungen und Mitgestaltungsmöglichkeiten konkret dazu beitragen können, aus brasilianischen Städten grünere, kinder- und jugendfreundlichere Orte zu machen. Sie interessierten sich für die Stadtteilplanung und das Mobilitätskonzept und waren begeistert von den Grün- und Freiflächen, die es Kindern ermöglichen, frei in der Natur zu spielen. Auch über den Partizipationsprozess, mit welchem unsere Grünspangen geplant und gebaut wurden, konnte die Gruppe viel lernen.
Besonders beeindruckt hat sie die Erhaltung des Wildnischarakters einer der Grünspangen und wie dieser durch passende Spielelemente ergänzt wurde. Einige Zeit später erreichte uns eine kleine Erfolgsmeldung: In São Paulo setzten sich Mitglieder der Gruppe mit weiteren Aktiven dafür ein, dass ein Stück unterirdisch geführter Bach wieder freigelegt und begrünt wird.
Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/2023 lesen.