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Übergänge in der Peergroup flexibel gestalten
Die lebendigen Wortbeiträge der Teammitglieder aus der Kita Wirbelwind im südhessischen Weiterstadt während einer Online-Fortbildung machten uns neugierig. Als wir erfuhren, dass die Einrichtung auf eine langjährige Zusammenarbeit mit Tagespflegepersonen zurückblickt und kürzlich erstmals Zweijährige aufgenommen hat, entschied sich unsere Redakteurin Jutta Gruber für einen Besuch.
Im Eingangsbereich der Kita Wirbelwind begrüßt mich Eileen Kasper. Unübersehbar steht die Fachkraft an ihrem Schreibpult inmitten des weitläufigen Flurbereichs. Und wir sind nicht allein. Zwei Kinder strecken mir mit den Worten »Hallo, ich bin Tim« und »Ich bin Ela« ihre Hände entgegen. »Hallo, ich bin Jutta«, antworte ich und, als ob es kein bisschen Eis gäbe, das zunächst gebrochen werden müsste, begleite ich die beiden in die Küche, von wo sie – vermutlich neugierig auf die fremde Stimme – gekommen waren. Hier hat Erzieherin (PivA) Anja Förster gerade den Backofen geöffnet. Der Duft von frischem Brot verbreitet sich im Raum, und die Kinder stellen mit geübtem Blick fest, dass die Baguettes fertig aufgebacken sind. In meinem Kopf macht sich der Gedanke breit, dass ein Morgen, der so anfängt, auf jeden Fall ein guter Morgen ist. Mit dicken Topflappen nehmen die Kinder drei Baguettes vorsichtig aus dem Backofen und bringen sie in einem hübschen Korb in die Cafeteria.
Guter Morgen
Hier gibt es seit einem guten halben Jahr nicht mehr nur das Mittagessen, sondern auch ein ausgewogenes Frühstück für alle Kinder, erzählt mir Anja Förster. Während sie mit Tim und Ela noch etwas Obst klein schneidet, macht sie mich darauf aufmerksam, dass man von hier auch einen guten Blick in den Flurbereich hat. Tatsächlich sehe ich von meinem Platz aus, wie sich ankommende Kinder im Garderobenbereich umziehen und von ihren Eltern verabschieden. Manche verweilen dort noch etwas, bis auch das letzte bisschen Schlafsand aus den Augen gerieben ist, andere flitzen gezielt in einen der vielen Bildungsbereiche. Auch die Cafeteria scheint ein beliebter Ort zum Ankommen zu sein. Nach und nach trudeln Kinder ein. Sie kennen sich gut aus. Indem sie ihre personalisierten Magnete auf dem Whiteboard eigenständig von der »Ich bin nicht da«- auf die »Ich bin da«-Seite heften, melden sie sich eigenständig für das Frühstück an und nehmen dieses selbstständig zu zweit, in Grüppchen oder auch für sich allein ein.
Für ein Kind – die dreijährige Hedi – sei die Cafeteria zunächst der einzige Raum überhaupt gewesen, in dem sie sich, wahlweise neben oder auf dem Schoß ihrer Bezugserzieherin, aufhalten wollte, erinnert sich Anja Förster. Weder die Kontaktversuche anderer Kinder noch die der Fachkräfte, die hin und wieder vorbeikamen, um davon zu erzählen, was man in ihren Bildungsbereichen so alles machen kann, hätten sie von dort weglocken können. Wie Hedis Eingewöhnung weiter verlief, erfahre ich später im Büro von Kita-Leitung Antje Zimmer. »Wir nehmen an, dass Hedi so viel Nähe zu ihrer Bezugserzieherin benötigte, dass es ihr nicht möglich war, in eine Spielsituation zu gehen.« Jessica Roth, ihre Bezugserzieherin, hätte während der ganzen Zeit das gemacht, was sich für solch eine Situation anbiete. Nämlich das Tun des Kindes sprachlich zu begleiten. »Jetzt sitzt du auf meinem Schoß, jetzt schaust du wieder in den Flur, und da ist jetzt der und der, und die und die machen das und das.«
Fließender Übergang
Ganz sicher, dass das Mädchen nicht nichts mache, seien sie, ihr Team und die Eltern gewesen, als Hedi ihren Stammplatz nach knapp einem Monat von sich aus näher ans Geschehen verlegt hatte. »Und zwar auf einen unserer Schiebewagen, der damals immer im Flurbereich unmittelbar neben dem Empfangspult stand.« Von hier aus hatte sie den Überblick in alle Richtungen. »Fast immer, wenn ich damals morgens in die Einrichtung kam, saß sie schon dort – meist mit hochgezogenen Füßen – und beantwortete mein ›Ach, guten Morgen Hedi‹ mit einem Blickkontakt. Sie konnte jederzeit Auskunft darüber geben, wer da ist oder schon abgeholt wurde und welches Kind zuletzt in welche Richtung oder sogar in welchen Raum gegangen ist.« Den Übergang von der Cafeteria in den Flur habe Hedi fließend gestaltet. Kim Pieroth, die stellvertretende Leitung, kann sich gut daran erinnern, dass Hedi bereits einige Tage zuvor zwischen der Cafeteria und dem Flur hin- und hergependelt war, bevor sie sich ganz auf dem Schiebewagen niedergelassen hatte. Dieses Vorgehen hätte den Eindruck bestätigt, dass Hedi die Zeit in der Cafeteria gebraucht habe, »um das Gefühl zu bekommen, dass ihre Bezugserzieherin wirklich immer bei ihr bleibt und auch nicht weggeht.« Damit, dass sie dort die nächsten Monate sitzen würde, hätte zu diesem Zeitpunkt niemand gerechnet. »Ich glaube, das war, einschließlich der Eltern, für niemanden leicht auszuhalten.« Hilfreich seien die Teamsitzungen gewesen, »in denen wir uns immer wieder darauf besonnen haben, dass Hedi nicht nichts macht, sondern von ihrem Platz aus ganz viel beobachtet, mit dem Team und den anderen Kindern interagiert und zu Hause viel über das erzählt, was sie in der Einrichtung erlebte. Wo z.B. welches Kind was gespielt oder was Teammitglieder miteinander geredet haben.« Irgendwann habe sie noch eine Weile auf der Garderobenbank bzw. auf einem der Sessel, »den sie sich von uns vom Flur in den Baubereich hat stellen lassen, gesessen. Insgesamt dauerte das sicher ein halbes Jahr, bis sie sich auf ihre ganz eigene Art eingewöhnt hatte.«
Die Kita Wirbelwind im südhessischen Weiterstadt wurde in den 1970er-Jahren gegründet. Heute betreuen hier elf Fachkräfte 65 Krippen- und Kitakinder aus Familien, von denen etwa 80 Prozent einen Migrationshintergrund haben bzw. in denen mindestens ein Elternteil eine andere Muttersprache als Deutsch spricht. Das Team arbeitet nach dem Situationsansatz in Bildungsbereichen. Im Zeichen flacher Hierarchien übernehmen auch Teammitglieder einzelne Leitungsaufgaben und, wenn alles passt, bereits Auszubildende eine Eingewöhnung. Mit dem kitaeigenen Kleinbus unternehmen die Kinder regelmäßige Exkursionen. Meist in den Wald.
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