Drei Mädchen und zwei Jungen gehören zur Eingewöhnungsgruppe in der Kita »Am Filmpark« in Potsdam-Babelsberg. Sie werden von zwei jungen Frauen betreut. Eine ist Erzieherin, die andere hat einen Bachelor in Kindheitspädagogik. Zwei unterschiedlich ausgebildete Frauen, die dieselbe Arbeit tun: Sie unterstützen das Spiel der Kinder, beobachten, trösten, helfen bei den Mahlzeiten, schreiben Berichte, führen Elterngespräche und vieles mehr. Die Kindheitspädagogin ist zugleich stellvertretende Leiterin der Kita und außerdem Sprachförderkraft. Beide Qualifikationen haben mit ihrem Studium an sich nichts zu tun. Fast scheinen sie ein Alibi zu sein, um die bessere Bezahlung zu rechtfertigen.
Cindy Juranek ist 32 Jahre alt und auf den ersten Blick jemand, der kein Aufhebens um eine vermeintlich höhere Ausbildung machen möchte. Ja, möglicherweise sähe sie mehr. Sie war schon immer eine gute Beobachterin, sagt sie. »Mein Mann sagt oft: ›Mensch, was du alles siehst!‹ Es sind oft Kleinigkeiten im Alltag: Gestresste Eltern mit ihren gestressten Kindern in der U-Bahn. Das Kind will etwas und nervt seine Mutter oder seinen Vater, und ich sehe ganz klar, dass es gar nicht um die Sache geht, die das Kind haben will, sondern um etwas ganz anderes...«
Sie hat immer mit Kindern arbeiten wollen. »Ich profitiere auch von den Erfahrungen der anderen Kolleginnen. Ich frage sie nach ihren Erfahrungen«, sagt sie. Sie meint es so. Sie tut es. Dennoch muss diesem Understatement hinzugefügt werden, dass die anderen natürlich auch von ihrem Wissen profitieren.
Mia zum Beispiel: Das dunkel gelockte Mädchen ist ein Kind, das Anregung sucht und lernen möchte. Manchmal ist ihr alles zu wenig. Dann schmeißt sie den Bagger, mit dem man nichts machen kann als ihn hin- und herzuschieben, wütend weg. Die Bücher interessieren sie. Immerzu klappt sie die Plastik- oder Pappseiten hin und her, betrachtet die Bilder und reicht Cindy das Buch, möchte offenbar einen Austausch. »Sie weinte anfangs sehr viel«, erzählt Cindy Juranek. »Eine mei-ner Kolleginnen ist dann immer hin und hat auf sie eingeredet. Sie hat Mia so betütelt. Mia wurde immer unleidlicher. Ich habe meiner Kollegin dann den Tipp gegeben, Mia einfach in Ruhe zu lassen. Ich hatte den Eindruck, dass sie viel lieber allein auf Entdeckungsreise gehen möchte. Und das war es dann auch. Mia wurde ruhiger und konnte sich auf das Spielen einlassen.«
Luis, ein rothaariger Junge, um dessen Lippen oft ein schalkhaftes Lächeln spielt, hat Spaß in der Gruppe. Seine gute Laune steckt Jonas an, der sich oft in die Kissen vor der Fensterwand kuschelt und sehnsüchtig nach draußen in den Garten schaut. Die zierliche Amelie beschäftigt sich schon allein, mit den Musikinstrumenten zum Beispiel. Lea ist aufgeweckt und verfolgt immer, was um sie herum passiert. »Sie hatte Schwierigkeiten, mittags einzuschlafen«, erzählt Cindy Juranek. »Ich hatte die Idee, ihr Bettchen ins Spielzimmer zu ziehen. Als wir an ihrem Bettchen zogen, beruhigte sie sich sofort. Wir haben das Bett dann einfach immer hin- und hergeschoben. Diese Bewegung hat sie beruhigt. Sie schlief ganz schnell ein.«
Cindy Juranek ist seit Gründung der Kita »Am Filmpark« im Jahr 2010 da-bei. Seit 2008 ist sie bei der Fröbel-Gruppe, dem Träger der Kita. Damit besitzt die Kindheitspädagogin schon einen gewissen Seltenheitswert, denn die Fluktuation ist hoch. »Nicht nur bei den akademisch ausgebildeten Mitarbeitern, auch bei den Erziehern«, sagt Pia Schnadt, die Leiterin der Personalentwicklung bei Fröbel. »Es werden gerade sehr viele neue Einrichtungen aufgemacht. Aber man kann sagen, dass ausgebildete Kindheitspädagogen in der Regel nicht in der Arbeit mit den Kindern bleiben. Bei uns streben sie von Beginn an meist Leitungstätigkeiten an oder sie arbeiten in der Personal- und Qualitätsentwicklung oder als Fachberater.«
Ist das nicht auch gewollt, um soziale Konflikte wegen unterschiedlicher Gehälter in den Teams zu vermeiden? »Auf gar keinen Fall«, sagt Pia Schnadt. »Die Fröbel-Gruppe legt Wert auf akademisch geschultes Personal in den Einrichtungen. Das sind nicht nur Kindheitspädagogen, sondern unter anderen auch Diplom-Erzieher und Sozialarbeiter. Überhaupt wird bei uns Bildung generell honoriert. Wir haben ein Interesse daran, dass Erzieher sich weiterbilden, fachliche Positionen entwickeln oder eben berufsbegleitend eine Ausbildung zur Kindheitspädagogin absolvieren. Wir kooperieren seit 2008 mit der Alice-Salomon-Schule, wo wir die erste Stiftungsprofessur für Kindheitspädagogik finanzierten.«
Kathrin Schrader
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05/15 lesen.
Angst in der Kita
Im Laufe eines Tages erleben Menschen einen ständigen Wechsel von vielen verschiedenen Empfindungen, Gefühlen und Emotionen. Sie freuen sich oder sind traurig, wütend, ängstlich oder schämen sich. Sie haben ein reicheres Innenleben, als es die karge Antwort »gut« oder »schlecht« auf die Frage »Wie geht es dir?« vermuten lässt. Oft allerdings ist man sich dieser eigenen Gefühle nicht bewusst, geschweige denn, dass man deren Energie nutzt.
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