Welch zeitloser Ausdruck! Bei mir als Kind war er ebenso im Gebrauch wie bei meinen Kindern. Inzwischen finden nun schon die Enkelkinder Vergnügen an dieser knappen und treffenden Beschimpfung: Ätsche-Bätsche!
In meinem Wörterbuch steht das Wort zwar nicht, aber ich höre es, wann immer sich Kinder etwas hinterher rufen. Ein zusammengesetzter Begriff, der durch keine anderen Wörter zu ersetzen und melodisch wie ein Singsang ist. Denke ich an Ätsche-Bätsche, fällt mir gleich das Gefühl wieder ein, das ich hatte, wenn ich eine Dann-nicht-mehr-Freundin mit diesem Singsang bedachte: Schadenfreude. Um dieses Gefühl noch zu steigern, fügten wir früher sich endlos wiederholende Silben an: Bähbähbäh – bähbähbäh! Danach war die Stimmung sofort besser. Der Ärger war herausgebäht.
Paart sich Schadenfreude mit ohnmächtiger Wut, erweist sich die Zunge als praktischer Verstärker. Sie verlängert das Ätsche-Bätsche. Werden die Handflächen mit abgespreizten Fingern hintereinander an der Zungenspitze angesetzt, zählt das Ätsche-Bätsche dreifach.
Wer die Zunge herausstreckt, muss nicht viel Worte machen. Als Kinder haben wir natürlich vielen Leuten die Zunge herausgestreckt. Wir wurden oft beschimpft, wenn wir als Horde auf der Straße auftauchten und zum Zeitvertreib Passanten, den Hauswart oder Hundebesitzer ärgerten. War ich besonders wütend auf einen Erwachsenen, wollte Strafe aber vermeiden, steckte ich hinter der Tür die Zunge nach ihm heraus, so weit, dass das Gesicht schmerzte. Bei anderen Gelegenheiten schnellte meine Zunge nur ganz kurz und spitz hervor, mal kokett, mal eher schüchtern neigte ich den Kopf zur Seite. Die Zunge etwas länger zeigen, doch nicht zu breit und nicht zu schlapp – das verrät nur ein bisschen Schadenfreude und kann sogar freundschaftlich wirken: Siehst du, mein lieber Freund, ich habe doch recht gehabt! Dann gibt es noch das Zungezeigen, das aus dem tiefsten Inneren kommt und der ganzen Welt klar macht: Das ist alles so öde! So total bäh!!! Es hängt mir zum Hals heraus, und das zeigt ich euch jetzt mal.
Übrigens: Möglicherweise war das Zungeherausstrecken früher eine Abwehrgebärde. An mittelalterlichen Bauwerken, Brunnen, Wappen oder Pfeilern findet man oft Figuren oder Tieremit herausgestreckter Zunge. Ätsche-Bätsche dagegen ist eine Spottgebärde. Ganz direkt, einfach zu entschlüsseln und dennoch differenziert. Der Winkel der Kopfneigung, der Augenausdruck, die Haltung der Hände und des Körpers, Lautstärke, Schnelligkeit und Wiederholung zeigen das Maß des Spotts. Kinder verstehen diese Sprache.
Wir Erwachsenen haben sie verlernt, oder? In welchen Situationen würden wir am liebsten jemandem die Zunge herausstrecken? Wann tun wir es tatsächlich? Warum tun wir es lieber nicht? Wir beißen uns eher auf die Zunge und hüten sie oder halten sie im Zaum, denn wir verbrennen uns die Zunge nicht gern. Andere hingegen wetzen sie. Und manche Leute reden mit gespaltener Zunge.
Die Zunge ist außerordentlich beweglich, geschickt und nützlich. Bei Weitspuck-Wettbewerben musste sie besonders geschürzt werden, was den Jungs besser gelang. Mückenstiche oder kleine Wunden beleckten wir einfach, um nicht wegen eines Pflasters nach Hause laufen zu müssen. An Tagen, an denen kein Abenteuer in Sicht war, vertrieben wir uns die Zeit mit Dingen, die nichts kosteten: Wer kann die Zunge am besten drehen? Wer kann die Zunge rollen? Wer kommt mit der Zunge an die Nasenspitze? Wie pfeift man mit Hilfe der Zunge auf zwei Fingern? Wer hat die längste Zunge? Wer kann sie wie einen Propeller drehen oder wie einen Teppich zusammenrollen? Wer hat die schnellste Zunge?
Manchmal veranstalteten wir Zungen-Konzerte: schnalzen, trillern, knallen, knacken, zischen, jodeln und lallen. Sprachförderung ohne Fördermittel! Wir wussten auch, dass die Chinesen kein R sprechen können, was uns zu wildesten Sprach-Spekulationen verleitete. Und ohne Ende übten wir das Rückwärtssprechen.
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Besonders bei der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) darf man nicht nur, sondern muss man sogar seine Zunge rausstrecken. Die Zungendiagnose ist eine uralte und sehr bewährte Methode um Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Mehr unter > XYZ > Zungendiagnose.
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/06 lesen.