Ein interdisziplinäres Projekt an der Fachhochschule Potsdam
Die Fachhochschule Potsdam ist eine von acht Preisträgerinnen des bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerbs »Familie in der Hochschule«. An fünf Orten sollen dort unterschiedliche Eingriffe und Objekte Raum für Eltern und Kinder schaffen und neue Perspektiven für das Studieren mit Kindern ermöglichen.
Ein Beitrag von Robert Uhde.
Gut, wenn die Monotonie des Alltags hin und wieder unterbrochen wird und Raum für Fragen entsteht. Wie im Foyer des neu errichteten Zentralbaus der Fachhochschule Potsdam. Wer den großzügigen, kühl gestalteten Raum betritt, der stößt dort auf eine Gruppe aus sechs unterschiedlich großen Objekten, die sich nicht sofort entschlüsseln lassen und sich beharrlich jeder Definition entziehen. Ein minimalistisches Kunstwerk? Eine Reihe von Designermöbeln? Eine temporäre Baustelle? Ein Beispiel moderner Konzeptkunst? Eine provisorische Theaterbühne? Ein universitärer Spielplatz?
Erst beim Näherkommen werden Details sichtbar, werden Möglichkeiten deutlich, lassen sich Funktionen erahnen. Die drei flacheren Objekte im Vordergrund erweisen sich dabei als flache Sitzmöbel mit hellblauen Sitzkissen unterschiedlicher Stärke. Eines der Objekte lädt durch seine abgerundete Grundfläche spontan zum Schaukeln ein, in einem anderen wecken drei eingelassene Schubladen die Neugier – neben unterschiedlichen Holzarten gibt es dort auch ein neu interpretiertes Memory-Spiel und farbige Tastbeutel mit unterschiedlichen Materialien mit allen Sinnen zu entdecken. Komplettiert wird die Gruppe durch drei größere Objekte vor der Wand, die sich ebenfalls erst nach und nach erschließen lassen: ein tischartiges Möbelstück, das zum Forschen einlädt, ein schmaler Schrank mit aufgedrucktem Ohr, in dessen Inneren sich ein Klangraum mit einem harfenähnlichen Instrument verbirgt, und ein rätselhaftes Spiegelkabinett in Form eines auf die Stirn gekippten Buchstabens F, das die eigene Person als eine Art zersplitterten Kristall in zigfacher Ausführung erscheinen lässt.
Die rätselhafte Objektgruppe irritiert, fordert heraus und stellt Fragen. Ganz unwillkürlich setzt sie einen Wahrnehmungsprozess in Gang, bei dem die routinierte Alltagswahrnehmung unterbrochen und zunehmend durch spielerische Neugier ersetzt wird. Und die ganz real zum Spielen, Forschen und Entdecken einlädt. Die Kinder, die gerade die verschiedenen Objekte und Möglichkeiten für sich entdecken, sind jedenfalls ganz begeistert. Die Frage nach der Funktion hat sich daher schnell aufgelöst: Die Gruppe – deren einzelnen Elemente zusammengesetzt die Initialen FHP für »Fachhochschule Potsdam« ergeben – ist minimalistisches Kunstwerk, Designmöbel, Baustelle, Theaterbühne, Konzeptkunst und Spielplatz in einem.
»Diese prinzipielle Offenheit des Objekts ist auf jeden Fall erwünscht«, erklärt Dr. Kirsten Winderlich, die das Konzept für das so genannte »Forscherregal« entwickelt hat. Seit vier Jahren lehrt sie hier an der Fachhochschule Potsdam ästhetische Bildung im BA-Studiengang Bildung und Erziehung in der Kindheit. »Mit dem Projekt wollen wir ganz bewusst einen Ort für Familien an der Hochschule schaffen. Denn Hochschulen sind ja nicht nur Arbeits- und Ausbildungsstätte, sondern auch ein Lebensraum, an dem die Studierenden und Angestellten der Hochschule einen großen Teil ihrer Zeit verbringen. Um dabei auch Eltern ein erfolgreiches Studium bzw. eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, ist es nötig, dass hier neben den Erwachsenen auch Kinder ganz selbstverständlich ihren Platz haben.« Darüber hinaus geht es der Hochschule natürlich auch darum, erst einmal ein Bewusstsein für die Perspektive von Familien zu schaffen und Fragen aufzuwerfen. »Und in diesem Sinne ist es natürlich auch gut, wenn die Betrachter erst einmal über das Forscherregal ›stolpern‹ und es nicht sofort in vorhandene Schubladen einordnen können«, so Kirsten Winderlich.
Ideenwettbewerb zum Thema »Familie in der Hochschule«
Ausgangspunkt der Arbeit ist der Wettbewerb zum Thema »Familie in der Hochschule«, den die Robert Bosch Stiftung (RBSG), der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) gemeinsam ins Leben gerufen haben, um die Familienfreundlichkeit deutscher Hochschulen zu verbessern. Über den Wettbewerb wurden von einer hochrangig besetzten Jury aus 62 Bewerbungen insgesamt acht Hochschulen ausgelobt, die beispielhafte Praxis für Familie an der Hochschule entwickeln und in die Breite tragen.
Die Initiative findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern besitzt hohe Relevanz für die weitere Entwicklung der Hochschulen. Denn vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird Familienorientierung für die Hochschulen in Deutschland zunehmend zu einem immer wichtigeren Argument im Wettbewerb um Studierende und qualifiziertes wissenschaftliches Personal. Und dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren weiter fortsetzen. Zu wirklichen Konsequenzen vor Ort hat diese Erkenntnis allerdings bislang nur in Ausnahmefällen geführt. Denn in der Praxis finden Studierende und junge Akademikerinnen und Akademiker nach wie vor nur wenig Unterstützung durch die Hochschulen bei der Familiengründung.
Und genau hier setzt der Wettbewerb »Familie in der Hochschule« an. Ganz gezielt sollen damit Impulse gesetzt werden, um die Familienfreundlichkeit deutscher Hochschulen weiter voran zu bringen. Als konkrete Ziele benannt sind dabei insbesondere die Vereinbarkeit eines Studiums und einer wissenschaftliche Karriere mit der Gründung einer Familie, die Schaffung von Anreizen für eine Familiengründung an hochqualifizierte junge Frauen und Männern, die Entwicklung der Familienfreundlichkeit als eines der Markenzeichen von deutschen Hochschulen und die Sicherung des Fachkräftebedarfs durch attraktive und hilfreiche Rahmenbedingungen.
Die acht Preisträger des Wettbewerbs sind neben der Fachhochschule Potsdam die Freie Universität Berlin, die Technische Fachhochschule Berlin, die Medizinische Hochschule Hannover, die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Philipps-Universität Marburg, die Fachhochschule Potsdam und die Hochschule Wismar. Sie alle haben die Jury mit hervorragenden Konzepten zur Verbesserung der Familienorientierung überzeugt und werden jetzt über einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/09 lesen.