Das naturnahe Außengelände in der Kita
Begibt man sich auf eine Reise durch die Außengelände von Kindertageseinrichtungen, dann begegnet man ganz unterschiedlich gestalteten Spielräumen. Immer noch wird das Außengelände nicht als ein Raum wahrgenommen, in dem pädagogisch relevante Prozesse stattfinden. Diana Rosenfelder zeigt, dass eine am Vorbild der Natur gestaltete Außenfläche vielfältige Naturerfahrungen bereithält.
Offensichtlich gibt es sehr unterschiedliche Ideen und Vorstellungen darüber, was Kinder im Außengelände einer Kita erleben können. Nicht selten müssen sich hier die Bedürfnisse der Kinder den Ansprüchen der Erwachsenen unterordnen. Dann bestimmt deren Sinn für Ästhetik, Ordnung oder Sicherheit das Bild. Wie aber kann ein Außengelände gestaltet sein, das sich als pädagogischer Raum versteht und das dem Bild vom Kind als Gestalter und Konstrukteur gerecht wird? Und wie können Entscheidungsträger und alle, die für die Gestaltung von Außengeländen verantwortlich sind, davon überzeugt werden, dass das Außengelände einer Kindertagesstätte Teil eines ganzheitlichen Raumkonzeptes ist (und damit auch des pädagogischen Konzeptes einer Einrichtung), in dem die Anregung und Herausforderung kindlicher Bildungsprozesse im Mittelpunkt stehen sollte?
Die Geschichte des Spielplatzes
Um zu begreifen, warum Außengelände von Kitas oft immer noch eher einem reizarmen und standardisierten Bild entsprechen, macht es Sinn, kurz die Historie von Spielplätzen zu betrachten.
Spielräume sind seit jeher ein Spiegel ihrer Zeit und zeigen, welches Bild vom Kind galt. So war der funktionsorientierte Gedanke Leitbild für die seit Anfang der 1960er-Jahre entstandenen Spielplätze, bei dem das Kinderspiel in einzelne Funktionen zerlegt und dann für jede isolierte Funktion eine Handlungsgelegenheit hergestellt wurde. Das führte zu einer Einschränkung der Vielfalt und der Offenheit. Alles, was z.B. Klettern ausmacht, wurde auf eine einzige Form des Kletterns reduziert, nämlich die an einem standardisierten Klettergerüst. Bis heute prägt dieses Bild die meisten Spielplätze und Außengelände.
Mit der Einführung von Sicherheitsnormen Ende der 1970er-Jahre kam ein weiterer bestimmender Faktor hinzu. Die Vermeidung jeglicher Risiken wurde Maßstab für Spielgerätehersteller, Planer- und GestalterInnen. Das Ergebnis kennen wir alle: ebene und übersichtliche Flächen, wo einzelne, mehr oder weniger fantasievolle Spielgeräte dominieren. Sand, Kies oder Holzhäcksel dienen großflächig als Fallschutz, überdimensionierte und einseitig gestaltete Sandspielbereiche ergänzen das Bild. Pflanzen am Rand sind mehr Zierde und weniger als Erlebnisraum und -element für Kinder gedacht. Und schließlich sind es auch ganz pragmatische Gründe, die die Gestaltung der Außenflächen beeinflussen: Eltern, die sich wünschen, dass ihre Kinder beim Abholen aus der Kita nicht schmutzig sind, der Bauhof, der die Zugänglichkeit des Geländes verlangt, um eine reibungslose Pflege durchführen zu können, oder diffuse und fehlinterpretierte Vorstellungen von Sicherheitsvorschriften.
Beobachtungen des Verhaltens von Kindern auf derart gestalteten Spielplätzen zeigen, dass 80 Prozent der Spielabläufe Bewegungsspiele sind, deren Handlungen selten mehr als fünf Minuten andauern. Lediglich drei Prozent dauern länger als 15 Minuten. Kann man hier wirklich von Spiel-Orten für Kinder sprechen? Wenn wir an unsere eigene Kindheit zurück denken, wissen wir, was diese Orte brauchen. Die Antwort auf die Frage, wo und wie man früher gespielt hat, ist meist: Draußen! Denn hier war das eigene Handeln nicht festgelegt, sondern von der Fantasie bestimmt, Regeln und Spielpartner wurden selbst gefunden, und wie lange ein Spiel dauerte, handelte man mit den anderen Kindern aus.
Was geschah da? Ganz nebenbei wurde die Welt erkundet und erforscht, es wurden Zusammenhänge erfasst und verstanden und ihnen auf den Grund gegangen. Es wurde ausprobiert, gestaunt, sich geärgert und überprüft, ob die eigene Sicht der Welt stimmte. Wenn das selbstgebaute Schiff doch nicht schwimmen konnte, wurde so lange daran konstruiert, bis das funktionierte. Man kletterte so oft auf den Baum, bis man alle Wege nach oben kannte, und baute so lange an der Bude, bis sie einigermaßen stabil war. Begeisterung und Interesse waren Begleiter und Motor, und ganz selbstverständlich wurden dabei neue Erkenntnisse zum Bestandteil der eigenen Denk- und Handlungsprozesse.
Das, was dabei in den Köpfen der Kinder passiert, wird als Bildungsprozess bezeichnet. Der Philosoph Hans Blumenberg hat das so ausgedrückt: »Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles wieder vergessen hat, was man gelernt hat.« Die Wissenschaft kann inzwischen belegen, dass hier die relevanten Lernprozesse stattfinden. Die Kernaussage ist: Lernen ist nicht die einfache Übernahme von Wissen, sondern ein aktiver und selbstbestimmter Konstruktionsprozess entlang von eigenen Erfahrungen. Was von dem, das die Umwelt anbietet, weitergedacht wird, können wir PädagogInnen nicht direkt beeinflussen, aber es liegt in unserer Verantwortung, inwieweit Bildungsprozesse angeregt, herausgefordert und unterstützt, oder aber auch gehemmt und auf niedrigem Niveau gehalten werden.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/2020 lesen.