Zwischen Arbeitsanforderung und Selbstfürsorge
Klimawandel, Corona-Pandemie und Krieg stellen uns vor zusätzliche Herausforderungen im Kita-Alltag. Wer kann da noch an Selbstfürsorge denken? Ein Kommentar von Lena Spiekermann, Fachberatung für Hamburger Kitas.
In Zeiten, in denen es endlich auch gesellschaftlich gelingt, offener über psychische Erkrankungen zu sprechen, wird Fachkräften in Kitas zunehmend bewusst, dass sie auf ihre Gesundheit achten müssen. »Stress« und »Überforderung« sind häufige Rückmeldungen zur Situation des Personals in den Einrichtungen. Dies wurde durch den Fachkräftemangel und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie noch verstärkt. Mitarbeitende in Kitas scheinen zwischen zwei Welten gefangen: Bei ihrer Arbeit geben sie alles, egal wie die Umstände sein mögen. Schließlich verdienen die Kinder das und Familien sind schnell verstimmt, wenn in der Kita nicht geleistet wird, was man von ihr gewöhnt ist. Gleichzeitig soll auf Pausen geachtet werden und darauf, genug zu trinken und bewusst Grenzen zu setzen.
Wie ist das zu schaffen?
Im schnelllebigen Kita-Alltag stellt das eigene pädagogische Team eine Stütze dar. Die Mitarbeitenden teilen alle mehr oder weniger dasselbe Schicksal, was ihre Arbeitsbedingungen angeht. Wer versteht einen also besser als die eigenen Kolleg:innen? Leider lauert hier eine Gefahr, denn wer sich nicht von den Meinungen, Empfindungen und Stimmungen der anderen abgrenzen kann, wird schnell in einen Negativstrudel gezogen, in dem einige bereits herumschwirren. Wenn sich das Gefühl einschleicht, dass alle nicht mehr können, dass jeder nur noch funktioniert, dass man nur zur Arbeit kommt, damit man die anderen nicht im Stich lässt, dann stellt sich nach und nach eine kollektive Ohnmacht ein, die nicht mehr durch ein gelungenes Elterngespräch oder einen Süßigkeitenvorrat im Mitarbeiter:innenraum ausgeglichen werden kann.
Erst mal reden
Fragt man Fachkräfte, was sie brauchen, sind sie sich über zwei zentrale Punkte schnell einig: mehr Zeit und mehr Personal. Leider lässt sich genau das nicht einfach aus einer Wundertüte zaubern. Etwas anderes könnte aber wie eine Art Erstversorgung fungieren: Eine gelungene Gesprächskultur. Dazu gehört natürlich, dass man einfach mal rauslassen kann, was einem die Arbeit schwer macht, wenngleich dafür ein gesundes Maß gefunden werden muss. Aus dem Miteinanderreden lässt sich außerdem viel Kraft schöpfen. Wir wissen es aus den Erfolgen von Beratungsangeboten und Gesprächstherapien: Reden hilft. Voneinander zu erfahren, dass es den anderen ähnlich geht, tut gut. Gemeinsam zu überlegen, was gebraucht wird, um wieder gerne und entlastet zur Arbeit zu kommen, tut auch gut. Fehlerfreundlich und flexibel an einem Strang ziehen und die Erwartungen an das anpassen, was möglich ist, gelingt besser, wenn wir Menschen haben, die uns zur Seite stehen, uns verstehen und im Notfall auch mal erinnern und freundlich zu einer kurzen Pause, zu einem Glas Wasser oder zum Durchatmen ermutigen.
Glückliche Fachkräfte – glückliche Kinder
Teams in Kindertagesstätten brauchen Zeit für Austausch, für Planung, für einander beraten und beraten werden. Sie müssen erarbeiten dürfen, wie sie die Anforderungen an ihre Arbeit ressourcengerecht erfüllen wollen. Es muss Zeit geben, um sich kennenlernen zu können und Vertrauen zueinander zu entwickeln. Auf einem Teamtag sagte eine Fachkraft neulich, sie schätze es so sehr, dass sie sich ohne schlechtes Gewissen in ihrer Kita krankmelden könne. Ihr Team reagierte mit zustimmendem Nicken. Wie schön ist es, wenn Vertrauen und Wohlwollen untereinander so stark sind, dass man sich im Fall einer Krankmeldung freut, dass die Kollegin oder der Kollege auf sich achtet und unsere Genesungswünsche aufrichtig sind? Zu dieser Haltung kommt man aber nur, wenn es die Arbeitsbedingungen ermöglichen. Die Arbeit mit Kindern ist eine Herzensangelegenheit, die viel Ausdauer und Kraft von den Fachkräften verlangt. Die gesellschaftliche und politische Anerkennung dafür entwickelt sich trotz der jüngsten Errungenschaften durch Kita-Streiks eher schleppend. Dabei ist die Gleichung nicht allzu schwer: Wer glückliche, gesunde Kinder möchte, der investiert auch in glückliche, gesunde Fachkräfte. Darüber sollte unbedingt mehr geredet werden!
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Bildnachweis: Montessori Foto erstellt von freepik
Weitere Artikel können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2022 lesen.