Sukinis Lieder zum Nachdenken
Sukini – das klingt schön gemüsig und niedlich, findet die fast 40-jährige Musikerin, die noch vor einigen Jahren als Sookee auf großen Bühnen feministischen Rap performte und heute lieber die junge Generation mit ihren Songs begeistert. Die Berlinerin macht zeitgemäße Kindermusik, bei der auch das Thema Adultismus eine Rolle spielt. Wie es ihr gelingt, Jung und Alt für ihre Musik zu begeistern, erfahren wir im Interview mit Betrifft-KINDER-Redakteurin Emilia Miguez.
EM: Ich war vor vielen Jahren noch auf einem Konzert von Sookee und nun vor einigen Wochen mit meinem Kind beim Konzert von dir als Sukini. Du schaffst mit deiner Musik eine Brücke zwischen den Generationen. Wie bist du überhaupt Musikerin geworden?
S: Ich bin ein ostdeutsches Arbeiterkind und komme aus einem sehr bibliophilen Haushalt, wo Bücher und Sprache immer eine große Rolle gespielt haben. Als Kind entdeckte ich dann Hip- Hop und ergänzte die Sprache mit Musik. Ich habe angefangen, Songs zu schreiben, und mir daraus einen Beruf gebastelt. Ich habe keine musikalische oder pädagogische Ausbildung, sondern Linguistik und Gender Studies studiert. Jahrelang wurde ich dafür kritisiert, dass meine Texte sehr akademisch seien. Irgendwann habe ich mir die Kritik zu Herzen genommen und bin schon beim letzten Sookee-Album mehr ins Erzählen und weniger ins Referieren gekommen. Es gibt ja diesen Satz: Erkläre es mir, als wäre ich fünf! Na gut, ich erkläre es eher, als wärst du sieben. Ich habe dadurch gemerkt, dass ich tatsächlich viel lieber mit Kindern in Verbindung trete, und mich deshalb von meiner musikalischen Karriere als Sookee verabschiedet. Ein großer Aspekt bei dieser Entscheidung war auch, dass mir das Musikbusiness zu kapitalistisch strukturiert ist und ich meine Werte und Ideale nicht verwirklichen konnte. Als Sukini bin ich heute viel zufriedener, auch wenn ich immer noch in der Musikindustrie unterwegs bin und Kinderlieder Produkte sind. Dennoch habe ich mehr die Möglichkeit, das Ganze als Prozess zu begreifen. Mein Eindruck ist, dass Kinder Musik weniger konsumistisch aufnehmen und es viel mehr ums Explorieren, Entdecken und Lernen geht. Es geht mehr ums Spaßhaben als um die ständige Bewertung, wie es in der sogenannten Erwachsenenmusik üblich ist.
EM: Wie würdest du deine Musik beschreiben?
S: Meine Musik ist sehr raplastig, aber ich traue mich mittlerweile viel mehr zu singen, weil ich mein jetziges Publikum da als viel offener wahrnehme. Denen ist es egal, wie ich aussehe und ob der Ton perfekt ist. Außerdem spielt die Band Instrumente, es sind keine digitalen Produktionen. Es wird von ech- ten Menschen gespielt, durch die Gitarre ist es sehr rockig. Wir bewegen uns also irgendwo zwischen Hip Hop, Rock und Pop. Ich überlasse den Menschen, die mit mir musizieren, viel Kreatives. Ich sehe sie nicht als Dienstleister:innen, die meine Ideen umsetzen müssen, sondern wir sitzen zusammen und jammen. Manchmal hat jemand eine Baseline mitgebracht, oder ich habe eine Melodie im Kopf, und dann bauen wir etwas drumherum. Alle bringen mit, was in ihnen vorgeht, und dann schauen wir, was wir daraus machen.
EM: Deine Songtexte handeln auch von politischen Themen, es geht u.a. um Kinderrechte, gleichgeschlechtliche Eltern und Erfahrungen im Frauenhaus. Wie entstehen die Inhalte für deine Songtexte?
S: Die Themen melden sich immer ganz von selbst bei mir und sagen: Hier musst du jetzt mal ran. Das sind Dinge, die mich einfach gerade umtreiben, z.B. gibt’s auf der letzten Platte ein Lied zum Thema Konsens, wobei es für mich nicht primär um sexuelle Kontexte geht, sondern darum, einfach immer wieder abzufragen, was für die andere Person gerade passt. Nachzufragen, ob die an- dere Person gerade Kapazitäten dafür hat, mir zuzuhören, oder ob ich sie nach ihrer Meinung fragen kann. Wenn mich ein Thema bewegt, höre ich viele Podcasts und lese viel. Schaue mir an, was andere Aktivist:innen machen. Ich mache eben kein Einschulungslied, wo es ums Buchstabieren geht – was super wichtig ist –, sondern ich stelle mir die Frage, was das eigentlich mit den Noten soll. Warum braucht es diesen Druck? Wieso können Kinder nicht selber entscheiden, wie sie lernen? In meinen Liedern gibt es immer einen kritischen Twist. Wenn sich Kinder ein Lied über Tiere wünschen, passt es nicht zu mir, einfach ein Lied über ein Häschen zu schreiben. Als Veganerin schaue ich mir erst einmal das Verhältnis von Mensch und Tier an, denn ich kann das Tier nicht süß finden, wenn es auf meinem Teller landet.
EM: In deiner Musik wird schnell deutlich, dass du als Person darin eine große Rolle spielst. Man merkt, es geht um deine Erfahrungen und Ansichten. Wie bringst du Kinderperspektiven ein: Begegnest du bewusst Kindern und bekommst mit, welche Themen sie beschäftigen?
S: Ja, ich bekomme vieles durch mein Kind und dessen Freund:innen mit, auch von Kindern in meinem Umfeld oder auf der Straße. Ich sehe aber auch, woran sich progressive Menschen in der Kinderkultur abarbeiten. Die Kinderliteratur ist da schon sehr viel weiter. Ich finde, dass sich Kindermusik noch zu wenig zutraut. Die deutschsprachige Kindermusiklandschaft ist recht überschaubar. Es gibt viele tolle, begabte und spannende Leute, aber ich habe das Gefühl, das meiste zielt noch sehr auf Unterhaltung oder Pädagogik ab. Es sind wenige Menschen dabei, mit denen ich mich gemeinsam explizit politisch für gesellschaftliche Veränderung einsetzen kann. Mittlerweile steht zwar überall »bunt« und »vielfältig« drauf, aber mir fehlt meistenteils noch die Vision in der Kindermusik. Oft geht es nicht über »Ob schwarz oder weiß, arm oder reich, wir sind alle gleich« hinaus. Doch das ist einfach nicht wahr, es ist leider nicht egal, wie wir gesellschaftlich positioniert sind. Idealistisch gesprochen sollte es natürlich egal sein, aber das ist noch nicht die Realität, und viele Kinder erleben das jeden Tag aufs Neue. Ich finde wichtig, dass wir genauer hinschauen und uns darüber austauschen. Es zu romantisieren, hilft eben nicht. Wir müssen die Kinder nicht überfrachten, aber wir behelligen sie ja sonst auch mit so komplexen Inhalten wie Fotosynthese oder Algebra. Warum wollen wir ihnen nicht mehr kritische Gesellschaftstheorie mitgeben? Unsere große Aufgabe ist es, der eigenen Realität besser gerecht zu werden. Dafür braucht es die Schule und eben auch die Kinderkultur. Ich bemängle an der Kindermusiklandschaft auch, dass der Altersdurchschnitt sehr hoch ist, dass wir gefühlt zu 98 Prozent weiß sind und auch sehr stark männlich dominiert. Das heißt nicht, dass diese Musiker:innen nicht weitermachen sollen – aber wie ändern wir die Verhältnisse? Wie kann dieser Bereich diverser werden? Ich weiß, dass sich Dinge verändern lassen und einige auch Lust haben, nicht mehr nur über Lisa und Paul zu singen, sondern auch über Cem und Hatice, und abseits von Hellblau- und Rosa-Klischees.
Sukini ist Musikerin und gibt Workshops zu Adultismuskritik. Als Autorin schreibt sie regelmäßig eine Kolumne für das Kinderstark Magazin. Zudem engagiert sie sich im Netzwerk Kindermusik: www.kindermusik.de
Kontakt
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/2023 lesen.