Für die frühpädagogischen Fachkräfte in Neuseeland hat die Umgestaltung schon begonnen. Neuseeland war eines der ersten Länder der Welt, die alle Tageseinrichtungen für die frühe Kindheit in das Bildungssystem integriert haben, und jetzt wird der Zehnjahresplan der Regierung für die Frühpädagogik, der 2002 eingeführt wurde, umgesetzt. Das wird dazu führen, dass es bis zum Jahr 2012 Lehrer für die Frühpädagogik mit Hochschulabschluss geben wird.
Unter dem Titel »Pathways to the Future (Wege in die Zukunft): Nga Huarahi Arataki« beschreibt der Strategieplan das Gebiet der Frühpädagogik als »Grundpfeiler unseres Bildungssystems« (http://minedu.govt.nz/index.cfm?layout=index&indexid=10944).
Der Plan formuliert drei Kernziele, die in einem Zeitraum von zehn Jahren erreicht werden müssen: die zunehmende Beteiligung an der Kindertagesbetreuung, besonders für die bisher unterrepräsentierten Gemeinden; die Verbesserung der Qualität der Einrichtungen und die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen für die frühe Kindheit und anderen Einrichtungen.
Um die Qualität zu verbessern, werden bis 2012 voll qualifizierte Fachkräfte gebraucht. Das gilt als Ziel für die meisten Einrichtungen für Kinder von der Geburt bis zum Alter von sechs Jahren, die so genannten »von Lehrern geleiteten Einrichtungen«. Ausgenommen sind nur die »von Eltern geleiteten Einrichtungen« wie zum Beispiel Spielgruppen. Alle Lehrer für die frühe Kindheit werden beim New Zealand Teachers’ Council (Lehrerrat Neuseelands) registriert. Diese beiden Maßnahmen haben die Frühpädagogik als Teil des Bildungsbereichs und zugleich die pädagogische Arbeit mit jungen Kindern als Teil des Lehrerberufs bestätigt.
Die Entwicklung des Berufs
Dass die Arbeit mit Kindern von der Geburt bis zu sechs Jahren als regulärer Teil des Lehrerberufs betrachtet wird, ist kein zufälliger oder isolierter Schritt in der Politik. Diese Veränderung ist vielmehr Ergebnis vielfacher Fürsprachen, die bis in die 70er und 80er Jahre zurückreichen und Praktiker, Gewerkschafter, feministische Autorinnen und Akademikerinnen und andere Unterstützer einbezogen haben. Gemeinsam haben sie alle eine Revolution in den Kindertageseinrichtungen in Gang gesetzt, die auf einem weit gefächerten Konzept von der »frühkindlichen Bildung« beruht, die sich an den Bedürfnissen von Kindern, Familien und Gemeinden orientiert.
Ein Schlüsselereignis auf diesem Weg war die Übertragung der administrativen Verantwortung für die Kindereinrichtungen vom Sozialwesen zum Bildungsbereich. Dem war eine ausgedehnte Lobbyarbeit vorausgegangen, um die finanziellen und administrativen Ressourcen für den Bereich der Kinderbetreuung zu verbessern. Der Bereich musste zuvor jedes Jahr wieder um ohnehin begrenzte finanzielle Mittel konkurrieren, private Sponsoren suchen und die fehlenden Mittel durch die Gebühren der Eltern aufbringen. Der Wechsel zum Bildungsdepartment stellte die frühpädagogischen Tageseinrichtungen nun in denselben politischen Rahmen wie die Kindergärten, sorgte dafür, dass die Finanzierung von nun an besser gesichert war als zuvor, und legte die Grundlage für eine Rationalisierungspolitik in den verschiedenen Einrichtungen, aus denen sich der Bereich der Frühpädagogik zusammensetzt.
Zwei Jahre nach der historischen Zusammenführung von Betreuungs- und Bildungspolitik – gestützt von wissenschaftlichen Argumenten für die Tatsache, dass man Betreuung nicht von Bildung trennen kann – wurde an den Colleges of Education (Lehrerbildungsschulen) eine gemeinsame dreijährige Ausbildung für Kinderbetreuungs- und Kindergartennachwuchs eingeführt. Das führte zwei bis dahin getrennt gewesene Gruppen von Studenten zusammen. Die traditionellen Barrieren zwischen diesen beiden Gruppen von Fachkräften bröckelten allmählich. Bis zum Jahr 1990 erkannten dann auch die beiden großen Gewerkschaften für Fachkräfte in der Frühpädagogik – die Early Childhood Workers Union und die Kindergarten Teachers Associaton –, dass es sinnvoll ist, Kräfte zu bündeln, und schlossen sich zur einer Gewerkschaft zusammen, der Combined Early Childhood Union of Aotearoa (der Name der Maori für Neuseeland).
Drei Jahre später schloss sich die neue Gewerkschaft dann auch mit der Gewerkschaft der Grundschullehrer zusammen. Gemeinsam bildeten sie eine starke Allianz für die Kampagnen für gleiche Bezahlung in den späten 90er Jahren.
Vor diesem Hintergrund waren Qualifikation und Bildung der Fachkräfte in der Frühpädagogik Gegenstand vieler Berichte, deren Kernthema das Bedürfnis nach einer folgerichtigen, verständlichen Politik für das ganze Land war. Und jetzt, wo wir uns langsam dem Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends nähern, ist es nur fair, zu sagen, dass diese Rufe nach einer kohärenten Politik beantwortet wurden. Neuseeland ist heute auf dem Weg, einen »von Lehrern geleiteten Beruf« zu bekommen, einen Beruf, dessen Vertreter überall in den Einrichtungen für Kinder von null bis sechs Jahren arbeiten.
Bis 2012 komplett professionelles Fachpersonal in Neuseeland
Der Strategieplan sorgt für eine schrittweise Erhöhung der Zahl der qualifizierten und zugelassenen (registrierten) Fachkräfte in den von Lehrern geleiteten Kindereinrichtungen: 50 Prozent des Personals bis Dezember 2007, 80 Prozent bis 2010 und 100 Prozent bis 2012. In den ersten fünf Jahren des Plans wurden Strategien eingeführt, um das Erreichen dieser Ziele zu unterstützen. Dazu gehörten Stipendien, um für Nachwuchs für Lehrer der Frühpädagogik attraktiv zu sein, und Anschubfinanzierung, um die Kindereinrichtungen zu ermutigen, ihrem Personal bei der Ausbildung oder Fortbildung zu helfen. Eine Reihe von Programmen, die frühere Lernprogramme anerkennen, sind finanziert worden, damit die schon auf dem Gebiet arbeitenden Praktiker ihre Qualifikation bewerten und anerkennen lassen können und sich damit auf ein Zusatzstudium vorbereiten.
Hat der Plan funktioniert? Bis Juli 2007 wurde mehr als das Halbzeitziel von 50 Prozent erreicht: 60 Prozent des Personals in allen Kindereinrichtungen erfüllten zu diesem Zeitpunkt die Anforderungen an die Qualifikation, und eine ähnlich hohe Zahl hatte die Zulassung als Lehrer erreicht. Unter den übrigen Beschäftigten studierten 49 Prozent, um eine Qualifikation zu erlangen, mit der sie die Zulassung bekommen würden.
Weitere Wege zum Beruf
Die meisten Universitäten bieten für die Arbeit mit Kindern zwischen null und sechs Jahren ein dreijähriges Studium bis zum niedrigsten Abschluss an. Das kann sowohl an der Universität stattfinden als auch von der Kindertageseinrichtung aus erfolgen. Dann kommen die Studenten einen Tag pro Woche in die Kurse und arbeiten den Rest der Woche weiter in ihrem Zentrum. Auch Fernstudienmodelle – einschließlich Online-Varianten – sind beliebt.
Einige Universitäten bieten auch ein vierjähriges Programm an, das parallel die Kurse für Grund- und Mittelschullehrer umfasst. Diese Parallelausbildungsstruktur war ein Schlüsselargument, das dazu beitrug, im Jahre 2002 den Kampf um Gleichheit der Bezahlung für Lehrer der Frühpädagogik und Schullehrer zu gewinnen.
Ein Diplom nach einem dreijährigen Studium wird von einer Reihe von nichtuniversitären Bildungsinstitutionen angeboten – ebenso wie eine Vielfalt von flexiblen Lernmodellen.
Es gibt viele verschiedene Wege und flexible Studienmöglichkeiten, um die Qualifikation für einen Abschluss oder ein Diplom nach drei Jahren zu erlangen. Die nötigen Credits können gesammelt und mit Vordiplomkursen addiert werden, um einen höheren Abschluss zu erreichen. Es gibt Maori- und Pasifikasprach-Programme für Studenten, deren Muttersprache die Sprache der Maori ist oder die von den Pazifiknationen abstammen (die beiden wichtigsten Minderheitengruppen in Neuseeland).
Die wachsende Identität der Profis:
Entdecken, was möglich ist
Ein Lehrer, den ich 2007 interviewt habe, sprach darüber, wie es war, auf diese Weise zum Profi zu werden: »Als ich auf das Lehrerbildungscollege kam…, hatten wir einen Sechs-Wochen-Block. In der Zeit sprachen wir darüber, Profis zu werden… Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der seinen Abschluss in dieser Klasse machte, sich als etwas Geringeres als ein Profi sehen würde… Unsere Ausbildung trug dazu bei, und dann mussten wir uns das selbst aneignen und akzeptieren, dass wir diese Rolle übernommen hatten.«
Ein anwendungsbezogenes Forschungsprogramm – Teil des Strategieplans – zeigt, dass ein wachsender Anteil der Lehrer in der Frühpädagogik einen neuen Sinn für Professionalität erlebt, indem diese Lehrer zu reflektierenden Fachkräften und Forschern ihrer eignen Praxis werden. Das Programm ermöglicht es den Zentren, sich zu bewerben, um als »Innovationszentrum« (CoI) nominiert zu werden und mit einem Wissenschaftler zusammenzuarbeiten, um ihre innovative Praxis zu dokumentieren, zu untersuchen und weiter zu verbreiten. 19 Lehrerteams haben sich bisher daran beteiligt. Die Berichte des Projekts dokumentieren einen neuen Sinn der Kompetenz, »zu reflektieren, den Dialog zu führen und weiterhin zu entdecken, was alles möglich ist«.
»Zu entdecken, was möglich ist« ist auch Ziel des neuseeländischen Curriculum-Dokuments Te Whariki (vgl. »KINDER in Europa«, Ausgabe 9). Es hebt die demokratischen Ideale der Partizipation und Ermächtigung von Kindern hervor, die als aktive Personen im Aushandeln des Curriculums betrachtet werden – aktiv durch gegenseitige, partnerschaftliche Beziehungen, die auch die Eltern und die Gemeinden einbeziehen. Neuseelands gegenwärtige Politik betont die Befähigung von Lehrern, qualifizierte Fachkräfte zu werden, die ihre Praxis kritisch reflektieren und untersuchen können. Diese Schwerpunktsetzung der Politik ergänzt diese demokratischen Ideale. Ein weiteres Mitglied des CoI-Lehrer-und-Forscher-Teams drückte es so aus: »Unser Wachsen als Profis hat zu phantastischen Ergebnissen für uns als Lehrer geführt, aber auch für die Kinder, die Eltern und die ganze pädagogische Community. Und das kann nur gut für die Frühpädagogik sein.«
Carmen Dalli ist Professorin an der Victoria Universität Wellington
E-Mail:
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 15/08 lesen.
Zurück zur Übersicht
Zum Seitenanfang