Seit einigen Jahren verbreitet sich in Italien der Trend, die Außenräume von Kinderbetreuungseinrichtungen kreativ und spielanregend zu gestalten. Aber kommen darin tatsächlich die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder zum Ausdruck? Welcher Platz wird zweckentfremdeten und sogar gefährlichen Elementen wie Feuer und hohen Regalen, die erklettert werden dürfen, eingeräumt? Alberto Rabitti berichtet.
Jahrzehntelang galt der Wille zur kindgerechten Gestaltung nur den Innenräumen pädagogischer Einrichtungen. Erfreulicherweise werden zunehmend auch die Höfe und Gärten in den Blick genommen. Dennoch kommt es häufig vor, dass der Ausgangspunkt der Neugestaltung nicht die tatsächlichen Spielbedürfnisse der Kinder sind, sondern die Erwartungen und Projektionen von Erwachsenen. Das Ergebnis sind interessante und innovative Entwürfe – die aber oft weit entfernt sind von Spielumgebungen, die die Kinder als ProtagonistInnen ihres eigenen Spiels anerkennen.
Der erste Schritt für eine echte Neugestaltung könnte eine aufmerksame und authentische Erzählung darüber sein, wie Kinder, die nicht unter Druck stehen, sich beim Spielen an alltäglichen Orten verhalten. Der Blick sollte dabei so offen wie möglich und frei von Stereotypen sein, die die Erwartungen der Erwachsenen bestätigen. Solche Beobachtungen können ein nützliches Instrument sein, um nicht nur Räume und Materialien, sondern auch die Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind und besonders die Rolle der pädagogischen Fachkraft zu überdenken, deren Aufgabe es ist, das Spiel wertzuschätzen und zu unterstützen.
Erste Erzählung
Zwei Kinder sitzen im Garten in einem großen Regal aus Brettern und unterhalten sich angeregt. Sie reden, sie hören zu, sie erzählen, manchmal stehen sie auf und ahmen nach. Sie bleiben lange dort, fast den ganzen Vormittag über. Das Spiel scheint sehr intensiv zu sein, trotz des eher statischen Settings. Dieses Geschehen wiederholt sich während der folgenden Tage, und das Bretterregal wird zum wichtigen Treffpunkt, den die beiden Kinder immer wieder aufsuchen. Manchmal kommt ein anderes Kind hinzu und beteiligt sich am Erzählen; manchmal werden Holzstücke oder kleine Steine zum Leben erweckt und mit einer Rolle bedacht. Manchmal bleibt der Treffpunkt verlassen, weil sich die Kinder für eine Zeitlang in den Tunneln aus Weidengeflecht oder in einem anderen Teil des Gartens bewegen. Aber immer kehren sie zu ihrem Ort zurück.
Die Kinder, die dazukommen, unterbrechen das Spiel nicht, sondern schließen sich ihm an. Kletternd suchen sie sich ihren Platz im Regal und finden ihn meist in den obersten Fächern und auf dem abschließenden Brett. Die einen hören erstmal zu, andere beginnen sofort zu reden, andere bringen neue Materialien mit; aber das Spiel wird nicht unterbrochen. Die Kinder regulieren sich selbst: Rollen werden zugewiesen, Zeit wird gegeben, das Geschehen wird neu angeordnet. Erwachsene sind ausgeschlossen – in dem Sinne, dass sie dem Spiel nicht zuträglich wären, vielleicht weil sie zu groß oder zu ungeschickt sind und damit die Harmonie stören würden, die mit so einfachen Mitteln an diesem Ort geschaffen wurde.
Werdegang eines Regals
Die genaue Beobachtung kann helfen, über die vielen Faktoren eines Spielgeschehens und ihren Zusammenhang nachzudenken. Beispielsweise kann gefragt werden, warum hier ein Regal, an dem sichtlich der Zahn der Zeit und die Witterung genagt haben, ein so starker Katalysator für dieses Erzählspiel ist. Das Regal steht zwischen den Kisten eines mobilen Gartens auf dem Hof einer Kita. Es handelt sich um eine Konstruktion aus dicken Brettern, gebaut, um Materialien und Werkzeuge zu verstauen, die für die Arbeit im Garten und besonders im Gemüsegarten nützlich sind.
Das Regal verfügt über zwei Stützebenen, weil es speziell entwickelt worden ist, um Kindern den Zugang zu den gelagerten Materialien zu erleichtern und diese in eine übersichtliche Ordnung zu bringen. Später wird noch angebaut, Extrafächer und weitere Lagermöglichkeiten kommen dazu. Trotz der pädagogischen Reflexionen der Erwachsenen, die dem Bau des Regals vorangingen, wird es von den Kindern zu keinem Zeitpunkt so genutzt wie vorgesehen.
Vom ersten Tag an sehen die Kinder in den tiefen Regalfächern Verstecke und die beiden Höhenniveaus als Einladung zum Klettern und dazu, sich eine interessante Aussicht auf den ganzen Hof zu verschaffen. Sie sehen das Regal nicht als nützliches Lager, sondern als einen Ort zum Leben.
Alberto Rabitti lebt als freiberuflicher Bauingenieur und Architekt in Tabiano (Italien). Für das Ökologische Institut von Cesena entwirft er grüne Spiel und Experimentierplätze für Kinder und verwendet dabei z.B. Konstrukte aus Weidengeflecht.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 02/19 lesen.