Wie Kinder mit künstlicher Intelligenz aufwachsen
Die digitale Technik bestimmt zunehmend unseren Alltag. Wir können uns ein Leben ohne Smartphone, Internet oder Geschirrspülmaschine kaum mehr vorstellen. Sie erleichtert viele Bereiche des Lebens, und doch macht es uns auch zunehmend Angst, nicht mehr verstehen zu können, wie diese digitalen Errungenschaften eigentlich funktionieren. Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz spitzt sich die Befürchtung zu, dass bald nur noch Maschinen unsere Kinder bilden. Doch welche Entwicklungen werden zukünftig wirklich zum Problem, und wie können wir Kinder darauf vorbereiten? Mit dem Mediendesigner und Fotografen Julian van Dieken hat die Betrifft KINDER-Redakteurin Emilia Miguez über die Chancen und Gefahren von künstlicher Intelligenz gesprochen.
Lieber Julian, kannst du uns in wenigen Worten erklären, was eigentlich künstliche Intelligenz (KI) ist?
Der Begriff künstliche Intelligenz ist erst einmal ein Marketingbegriff, denn intelligent ist da im Moment noch nichts. Es gibt zwar philosophische und auch technische Diskussionen darum, ob man Anfänge eines Bewusstseins bei der KI finden kann, aber stattdessen finden wir eine Menge Statistik. Da sitzt kein kleines intelligentes Männchen in einer Machine. KI ist vielmehr eine Software, die große Datenmengen angehäuft hat und auswertet. Aus diesen errechnet sie eine statistisch mathematische Wahrscheinlichkeit. Und was daran spannend ist: dass sie aus diesen vielen Datenmengen etwas ausrechnen kann, was sie so nicht manuell gelernt hat. Das unterscheidet sie von anderen Programmierungen, wo vorher genau festgelegt wird, was die Software kann.
Was begeistert dich so sehr an künstlicher Intelligenz?
Ich bin ein Spielkind und habe mich schon immer gerne mit Zukunftstechnologien beschäftigt. So habe ich keine
Hemmungen, viele Knöpfe zu drücken und auszuprobieren, was passiert, bis ich etwas besser verstanden habe. Ich
bin also auch kein Coder, sondern einfach nur ein Endanwender. Ich habe dabei Tools entdeckt, die mehr oder weniger meine Gedanken darstellen oder Teile davon abbilden können. Für mich war das phänomenal und auch erst mal abwegig, dass ich schreiben kann: Schwein sitzt auf Haus, und dann kann das eine Maschine visualisieren! Das hat mich total eingesogen, und ich bin immer noch am Buddeln. Auch nach fast zwei Jahren, die ich schon damit arbeite, bin ich noch nicht am Ende.
Du zeigst uns gerade auf, dass KI vor allem eine große Möglichkeit für Kreativität bietet. In Bezug auf digitales Lernen gibt es häufig die Angst, dass es Kreativität verhindert. Was denkst du, wie kann digitales Lernen die Kreativität fördern?
Erst einmal müssen wir uns die Frage stellen: Was bedeutet denn Digitalisierung für uns? Ich erlebe oft, dass vor allem über iPads und WLAN gesprochen wird. Das ist jedoch nur die Infrastruktur, denn wenn ich ein iPad bereitstelle, dann ist noch nichts digitalisiert. Das ist, wie wenn ich mir einen Löffel und Topf kaufe und dann sage, ich bin jetzt Koch. Digitalisierung sind für mich die Schritte, die danach kommen, z.B. die Didaktik. Denn schlechten Unterricht kann ich mit allen Medien machen, auch mit Tafel und Kreide. Das heißt, wie kreativ ich bin, hängt sehr davon ab, wie ich Werkzeuge wie iPads nutze.
Digitalisierung ist also weder das Allheilmittel noch der Untergang der Kreativität, sondern es hängt sehr davon ab, wofür wir sie nutzen. Wie kann uns denn nun die Digitalisierung konkret in der Kita nützlich sein?
Zuallererst müssen wir uns immer fragen: Was möchte ich machen, und welches Werkzeug brauche ich dafür? Es gibt eine Ausstellung aus Reggio Emilia, »Crossing Borders«, in der das klassische Herbarium und iPads kombiniert
wurden. Es wurde gespürt, geschmeckt und gerochen, ebenso wurden Apps zum Fotografieren genutzt. Es ging nicht um die Nutzung eines iPads allgemein, sondern ums Forschen und Lernen. Bevor man sich also fragt, wie man mit iPads arbeitet, sollte man sich erst einmal selber mit den Geräten firm machen und ausprobieren, was einen daran interessiert. Welche Zugänge finde ich dazu, und wofür erscheint mir eine Nutzung sinnvoll? Was begeistert mich daran?
Julian van Dieken ist Mediendesigner, Fotograf und Educator und verbindet in seinen Arbeiten Popkultur, Gesellschaftsthemen, Bildung und Humor. Sein Ziel ist es, Chancen von Zukunftstechnologien auszuloten und deren Risiken zu verstehen. Das Experimentell-Spielerische ist sein Weg dahin.
Kontakt
https://www.vandieken.com/
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 06/24 lesen.